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Menschenskinder

Menschenskinder

Titel: Menschenskinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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Frau nicht mehr ihrer Normgröße? Aber nicht mit mir, Leute! Dann eben heute noch Zivilkleidung, ich hatte ja den Jogginganzug mit. Gleich morgen früh würde ich um eine weniger voluminöse Uniform bitten.
    Steffi saß mit gekreuzten Beinen auf einer der herumstehenden Liegen, in der Hand ein halbgeleertes Weinglas, und gab eine offenbar sehr plastische Schilderung unserer Irrfahrt. »… hing ich plötzlich halb im Gartenzaun. In Heidelberg muss ich nämlich nicht damit rechnen, dass plötzlich ein Dutzend Enten über die Straße watschelt, da geht höchstens mal ein Schwan spazieren, und der kriegt gleich Polizeischutz.« Dann sah sie mich und prostete mir zu. »Es ist tatsächlich Wein! Und sogar trinkbar.«
    »Eingeschmuggelter?«
    »Ach wo, ganz offiziell dem Kühlschrank entnommen«, erläuterte die Dame in Blond, »im Supermarkt ist er wahrscheinlich fünf Mark billiger, aber man muss natürlich die Transportkosten berücksichtigen, den Strom für die Kühlung und nicht zuletzt die Nutzungsgebühr für die Gläser.«
    »Weißt du, Määm, hier wird die gleiche Methode praktiziert wie seinerzeit in dem komischen Hotel, wo uns die Inhaberin mit dem Fleischermesser in der Hand begrüßt hatte.«
    »Mich hat noch nie jemand mit einem Messer …« , doch dann fiel es mir wieder ein. Es war am Anfang meiner literarischen Laufbahn gewesen, wenn man während einer Lesereise allenfalls im viertbesten Hotel der jeweiligen Stadt untergebracht wird (den Status, vom Verlag die Fürstensuite im Fünfsterne-Hotel sowie den Rolls Royce mit Chauffeur zur Verfügung gestellt zu bekommen, werde ich allerdings nie erreichen!). Steffi – damals noch in jeder Hinsicht ungebunden – hatte sich als Begleitung angeboten, weil zwei Wochen allein ›auf Achse‹ eine ziemlich langweilige Angelegenheit ist, und so sind wir auch mal in einem typischen Vertreter-Hotel gelandet, das nur frühmorgens und am Abend bewirtschaftet wird. Da kriegt man einen Schlüssel ausgehändigt, erfährt, von wann bis wann man frühstücken und wo in der Nähe man zu Abend essen kann, und zuletzt wird einem der obligatorische Großraum-Kühlschrank gezeigt, aus dem sich jeder bedienen darf. Ganz wichtig ist der Block mit dem meist irgendwo an einem langen Bindfaden festgebundenen Kugelschreiber, weil man natürlich in den entsprechenden Spalten eintragen muss, wie viel man wovon herausgenommen hat. Abgerechnet wird am nächsten Morgen. Würde man der deutschen Kriminalstatistik glauben, dann müsste diese Art von Selbstbedienung für den Hotelier ein Verlustgeschäft sein, aber vielleicht betrügt man hier zu Lande nur in großem Stil, bei zwei Flaschen Bier und einem Sandwich mit schon leicht verbogenem Käse drauf lohnt sich der Nervenkitzel wohl nicht.
    Weil wir seinerzeit schon am frühen Nachmittag angekommen waren, hatten wir uns die Schlüssel in der Privatwohnung abholen müssen, und dort hatte nach mehrmaligem Läuten eine Frau mit gezücktem Schlachtermesser geöffnet, was uns denn doch ein bisschen irritiert hatte. In dem bewussten Kühlschrank hatten auch bloß Bier- und Colaflaschen gelegen, und die Scheibe Schinken zum Frühstück hatte zur Hälfte aus Fetträndern bestanden (seitdem tun mir auch alle Vertreter Leid, die abends nicht zu Hause sein können). Diese hübschen Cafes, in denen man morgens ausgiebig tafeln kann, hat’s vor 15 Jahren noch kaum gegeben, schon gar nicht in den Kleinstädten am Zonenrandgebiet.
    »Wie verträgt sich denn die spartanische Ernährung tagsüber mit den alkoholischen Exzessen am Abend?«, wollte ich wissen, nahm jedoch dankbar das Glas Wein entgegen. »Alkohol hat bekanntlich auch Kalorien, und nicht mal zu knapp.«
    »Na und? Wir werden ja erst morgen früh gewogen«, meinte die Blonde, »und dann noch mal am Abreisetag. Bis dahin haben sie die Waage ein paar Kilo zurückgedreht, du fährst ganz euphorisch nach Hause, und am nächsten Morgen schlägt die Stunde der Wahrheit. Aber bis dahin haben wir noch ein bisschen Zeit. Prost!« Sie hob ihr Glas. »Bleiben wir optimistisch und trinken auf eine erfolgreiche Woche!«
    Als wir darauf tranken, war es kurz vor halb zehn. Zwei Stunden und drei Flaschen später saßen wir immer noch draußen, um uns herum glimmten ein paar fürchterlich stinkende Mückenabwehrkerzen, und obwohl uns Steffi immer wieder mit Insektenspray einnebelte, surrten die Viecher weiter unbeeindruckt um uns herum. »Zwei schlägt man tot, und zwanzig kommen zur

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