Menschenskinder
Steffi der hinter uns fahrenden Conny noch einmal zugewinkt und das Gaspedal durchgetreten. »Hast du auch die Adresse eingesteckt?«
Natürlich hatte ich Connys Adresse notiert und die Telefonnummer, auch die von Moni und Lilo, hatte ihnen je ein Buch versprochen und zugesichert, dass wir in Kontakt bleiben würden. Das würde allerdings Steffi übernehmen müssen, sie passte altersmäßig besser zu dem rheinischen Kleeblatt.
Ein sehr bewegter Abschied war das heute gewesen. Er hatte schon beim Frühstück angefangen, als wir uns plötzlich in normaler Kleidung gegenübersaßen und uns endgültig bewusst wurde, dass diese herrlich faule Woche vorbei war und uns in ein paar Stunden der Alltag wieder im Griff haben würde.
»Am meisten hasse ich die Kocherei«, seufzte Lilo und nahm sich noch ein bisschen Rührei, »ich weiß nie, was ich kochen soll, immer Pizza oder Frikadellen geht ja nu auch nicht.«
»Mach mal was mit Sellerie, du weißt doch jetzt, wie er aussieht«, schlug Conny vor, »der ist gesund und hat wenig Kalorien.«
»Die sieht man doch sowieso nie.«
Apropos Kalorien.
Richtig euphorisch hatten wir uns noch vor dem Frühstück im Fitnessraum eingefunden, um gewogen zu werden. Ich war ohnehin überzeugt, dass jede von uns mindestens zwei Kilogramm abgenommen hatte. Letztendlich sollten wir ja in dem Bewusstsein nach Hause fahren, nicht nur Haut und Haaren etwas Gutes getan zu haben, sondern auch unserer Taille.
Nun lässt sich eine Waage leichter zurückdrehen als der Tachometer vom Auto, doch ob das schon etwas antiquiert aussehende Stück (ich vermutete Ausverkauf einer Arztpraxis) tatsächlich eben erst kaputtgegangen war, oder ob Heinrich, der uns mit einer Hand voll Werkzeug entgegengeschlappt war, die Waage einmal zu viel manipuliert hatte, bleibt offen, jedenfalls war sie bei 98 Kilogramm stehen geblieben, rührte sich nicht mehr, und auf dem Rückweg nach oben überlegten wir, wer um alles in der Welt nahezu zwei Zentner gewogen haben könnte.
Kurz nach neun war der erste Abholer gekommen, ein Sportwagenfahrer mit martialischem Schnauzbart wie weiland Wilhelm Zwo, entweder schon mitten drin in der MidlifeCrisis oder kurz davor, den ich mir beim besten Willen nicht als Ehemann vorstellen konnte, egal, von wem. Es war aber einer, nämlich der von Renate. Und plötzlich passte sie auch zum ihm, denn sie hatte von dem Angebot eines fachmännischen Make-ups Gebrauch gemacht (DM 18,- ohne MWSt) und sah großartig aus. Mit vom Gatten überreichten Rosenstrauß im Arm (25 Stück!) hätte sie glatt als Model für Hochzeitsmoden posieren können. ›Was trägt die reifere Braut auf dem Standesamt?‹
»Ein erfolgreicher Mann hat immer etwas mehr Geld, als seine Frau ausgeben kann«, murmelte Conny, die ihn offenbar recht gut kannte.
»Und eine erfolgreiche Frau hat so einen Mann.« Das Jackenkleid von Renate stammte auch nicht gerade von C&A.
Händeschütteln, Umarmung, winke-winke – dann preschte der Wagen davon, dass die Kieselsteine nur so durch die Gegend flogen. In der ersten Serpentine hätte es denn auch beinahe geknallt, weil ein Wagen entgegenkam, ein solides Mittelklasse-Auto, aus dem ein grundsolider Fahrer stieg, der genauso aussah, wie ich mir den Ehemann von Moni vorgestellt hatte.
»Wirst du auch abgeholt?« fragte ich Lilo, die wie ein aufgescheuchtes Huhn herumlief, ihren Hausschlüssel suchte und den zweiten Joggingschuh.
»Nee, ich fahre mit Conny zurück. Kannste mal sehen, wie gut es die ohne Kinder haben! Hergekommen sind wir zusammen, weil wir nicht schnell genug unsere Männer loswerden konnten, und kaum sind wir ein paar Tage weg, rennen sie uns schon hinterher. Meiner natürlich nicht, der hat wahrscheinlich genug zu tun, unseren Junior bei Laune zu halten. Connys Mann wird wohl auch schon die Minuten zählen, bis sie wieder da ist. Der hat ja gleich drei am Hals. Aber irgendwie kommt er damit besser klar als meiner mit nur einem.« Plötzlich fiel ihr ein, dass ich ja mal fünf Kinder großgezogen habe. »Wie kommt es, dass du so normal geblieben bist?«
»Wieder geworden, Lilo, nicht geblieben!«
»Geht das von allein?«
Eine Antwort blieb mir erspart, ich hätte auch gar keine gewusst, doch zum Glück kam Steffi die letzte Serpentine heraufgekrochen, gleich hinter ihr Conny, und dann ging alles ganz schnell. Gepäck in den Kofferraum, Verdeck auf, ein letzter Händedruck nebst Dankeschön für Gisela, die uns an der Haustür verabschiedete, einsteigen,
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