Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Menschenskinder

Menschenskinder

Titel: Menschenskinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
Vom Netzwerk:
für freie Landefläche würden im Bedarfsfall wohl die Rotoren sorgen. Fünftens: Ein Pärchen, das – kein Wunder in dieser Umgebung – dem Ruf
Zurück zur Natur!
gefolgt war und nicht nur auf Kleidung verzichtet, sondern auch sonst seinen natürlichen Trieben nachgegeben hatte.
    Sechstens: Das schon leicht verwitterte Fundament eines großen Gebäudes. Möglicherweise hatte man ursprünglich hier die Restaurationsräume vorgesehen, sich dann aber doch für die Nähe zum Strand entschieden, obwohl es von hier aus einen herrlichen Blick übers Meer gegeben hätte.
    Nur was ich gesucht hatte, fand ich nicht, nämlich den Tennisplatz. Entweder hatte man einen solchen zwar geplant, jedoch nie fertig gestellt, was bei Bauvorhaben generell keine Seltenheit ist, oder man hatte ihn mangels Inanspruchnahme wieder abgebaut und stattdessen die Rehe angeschafft, für die bei den Gäste zweifellos größeres Interesse bestand; es gab kaum jemanden, der nicht ständig einen keineswegs immer artgerechten Leckerbissen in der Tasche hatte, wobei Kartoffelchips noch die harmloseste Variante waren. Die Tiere kauten von gekochten Nudeln bis zu Pfefferminzplätzchen nahezu alles und gediehen prächtig dabei. Ihre Fressgewohnheiten erinnerten mich immer an die Aufnahmekapazität von Teenagermägen.
    »Einen Tennisplatz gibt es nicht!«, behauptete ich rundheraus, als ich nach einer Stunde wieder an unseren Privatstrand zurückkehrte. »Meine sportlichen Ambitionen werde ich mir wohl abschminken müssen. Und du auch!« Mit diesen Worten zog ich Steffi das Handtuch vom Gesicht, unter dem sie sich vor der tief stehenden Sonne versteckt hatte. »Oh, Verzeihung! Ich wusste nicht … ich dachte …«
    »Wenn sich hier jemand entschuldigen muss, bin ich es«, sagte Frau Heinrich, nach ihrer Sonnenbrille tastend, »aber nachdem Ihre Angehörigen geholt wurden und nicht mehr zurückkamen, konnte ich einfach nicht widerstehen. Warum bin ich noch nie auf die Idee gekommen, eine Luftmatratze mitzunehmen?«
    »Wer hat wen wohin geholt?«
    »Keine Ahnung, einer der Boys war angetrabt und hat was von ›just arrived‹ gestottert, aber wer oder was gerade angekommen ist, weiß ich nicht.« Sie sah auf ihre Uhr. »Zeit zum Duschen! Vielleicht schaffe ich es doch mal, den Sundowner nicht im Bikini, sondern in einer der blauen Stunde angemesseneren Bekleidung einzunehmen.«
    »Ich komme mit.«
    Hannes stand an der Bar, in einer Hand ein Stück Papier, in der anderen einen leeren Kognakschwenker. Und das um fünf Uhr nachmittags, wenn es noch fast eine Stunde dauert, bis die Sonne untergeht! No alcohol before sunset!, lautet die wohl noch aus der Kolonialzeit stammende Tropenweisheit, und daran hatte er sich fast immer gehalten. Doch jetzt reichte ihm Joe sogar ein neues Glas über den Tresen. Steffi, normalerweise strikt auf Einhaltung der Vor-SonnenuntergangAskese bedacht, stand daneben, schob ihre Colaflasche hin und her und sagte kein Wort.
    »Was ist denn los? Wird ab morgen die Prohibition wieder eingeführt?«
    Wortlos drückte mir Hannes den Zettel in die Hand. »Ist vorhin gekommen.«
    Obwohl ich wusste, dass es aussichtslos sein würde, versuchte ich den Text zu entziffern. Schließlich gab ich das Blatt zurück. »Bin mal wieder Analphabet, meine Brille liegt noch am Strand.«
    »Ich kann’s inzwischen auswendig«, sagte Steffi. »lkw samt ladung ausgebrannt stop totalschaden stop versicherung verständigt stop sonst alles okay stop soll neuer wagen bestellt werden stop gruß lucky.«
    Eine derartige Nachricht hebt nicht gerade die Urlaubsstimmung, aber trotzdem: »Kam das hier aus dem Jenseits?«
    Ich deutete auf das Papier. »Nein? Dann legt sofort diesen Friedhofsblick ab. Lucky scheint nichts passiert zu sein, das ist das Wichtigste, den Schaden zahlt die Versicherung, und so ganz taufrisch war der Lkw ja auch nicht mehr. Jetzt kriegt ihr wenigstens einen neuen!«
    »Ja, in frühestens drei Monaten, und womit soll Lucky bis dahin seine Touren fahren? Mit’m Handwagen?« Hannes kippte den zweiten Kognak, doch bevor er einen dritten ordern konnte, zog ihn Steffi zur Seite. »Wir setzen uns jetzt da drüben hin und formulieren eine Antwort. Wie ist das passiert? Wer hat Schuld? Was ist auf dem Lkw drauf gewesen? – Weiß jemand von euch, was Schuld haben auf Englisch heißt?«
    Natürlich nicht, doch dann fiel mir etwas auf. »Der Telegrammtext ist doch in Deutsch abgefasst. Warum antwortet ihr nicht genauso?«
    »Dann guck mal aufs

Weitere Kostenlose Bücher