Menschensoehne
betrat.
»Dieses Leck werde ich auf die einzige Weise stopfen, die mir zu Gebote steht«, erklärte er vollkommen beherrscht und souverän. »Dies ist bis auf weiteres die letzte morgendliche Besprechung. In einem Fall wie diesem ist es unerhört wichtig, dass wir in Ruhe arbeiten können, zumal Schulkinder involviert sind. Mit dieser Ruhe ist es jetzt vorbei, weil jemand hier in diesem Raum seine Schnauze nicht halten konnte. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass über den Fall nur innerhalb dieses Gebäudes gesprochen wird. Ehefrauen, Ehemänner, Geliebte, Freunde, Anverwandte, Kinder, Greise oder Haustiere dürfen nicht das Geringste über diesen Fall erfahren. Ihr steht alle unter Schweigepflicht, und es ist enorm wichtig, dass ihr euch daran haltet. Wenn der Informant gefunden ist, fliegt er. Und ich werde ihn finden. Ich gehe davon aus, dass er sich selber im Klaren darüber ist, und wünsche ihm alles Gute für die Zukunft. Ende der Besprechung.«
»Warum unterstellst du, dass die undichte Stelle hier bei uns ist?«, fragte Elínborg, bevor die Leute sich in Bewegung setzten. »Sie könnte genauso gut irgendwo anders im Haus sein.«
»Wenn man sich den Artikel genau anschaut, könnte man meinen, dass der betreffende Journalist hier unter uns gewesen wäre. Er hätte sich ja auch in dieser Menge ganz gut verstecken können. Wir leben in einer winzigen Gesellschaft, in der der Klatsch blüht. Es ist bedauerlich, wenn man die Informationen an die Medien filtern muss, aber noch schlimmer ist es, sie innerhalb dieses Hauses einschränken zu müssen.«
Der Raum leerte sich innerhalb kurzer Zeit und zurück blieben Erlendur, Sigurður Óli und der Polizeidirektor.
»Die Pressekonferenz ist um drei«, erklärte Letzterer. »Ist es wirklich erforderlich, diese morgendlichen Besprechungen abzusagen? Ich glaube, sie haben viel bewirkt.«
»Damit werden klare Linien gesetzt. Alle sollen wissen, dass wir gegen einen Vertrauensbruch dieser Art mit aller Härte vorgehen, und außerdem finde ich, dass diese regelmäßigen Sitzungen uns nur aufhalten. Solche Versammlungen bringen gar nichts. Das Einzige, was dabei rauskommt, ist Gelaber.«
»Da stimme ich aber keineswegs mit dir überein. Im Kultusministerium haben sie sehr viel bewirkt.«
»Genau. Und wenn du genau hinschaust, siehst du, wie es um die Kultur und die Bildung in diesem Lande bestellt ist. Schulkinder stecken ihren Lehrer in Brand!«
»Das ist reine Polemik und eine komplette Verdrehung der Tatsachen.«
»Könnten wir vielleicht zur Sache kommen? Sigurður Óli, du bringst in Erfahrung, was diejenigen, die sich in der Nachbarschaft, bei den Tankstellen und auf den Baumärkten umgehört haben, herausfinden konnten. Ich weiß zwar noch nicht, wie wir das angehen sollen, aber wir müssen uns mit diesen Kindern unterhalten, die Halldór unterrichtet hat. Wir müssen uns auch noch einmal mit Helena befassen. Ihr muss klar gemacht werden, dass sie kein Recht hat, die Ermittlungen zu behindern.«
»Das überlasse ich euch«, sagte der Polizeidirektor und gab vor, überaus beschäftigt zu sein. »Denkt an die Pressekonferenz um drei.«
Im Konferenzraum klingelte das Telefon. Sigurður Óli nahm ab. Es handelte sich um ein R-Gespräch aus Hvolsvöllur, und es wurde gefragt, ob das Gespräch angenommen würde. Sigurður Óli gab sein Einverständnis. Es folgte eine kurze Stille in der Leitung, und dann verlangte ein Mann, mit dem leitenden Beamten im Mordfall Halldór Svavarsson zu sprechen. Sigurður Óli gab den Hörer an Erlendur weiter.
»Am Apparat. Wer spricht?«
»Es ist wegen Halldór«, sagte der Mann und räusperte sich. »Mein Name ist Guðni, und ich war seinerzeit Rektor an der Volks-und Mittelschule hier in Hvolsvöllur. Ich möchte mit euch über etwas reden, das an meiner Schule vorgefallen ist, als er hier unterrichtete. Ich hab heute Morgen in der Zeitung gelesen, dass seine Klasse unter Verdacht steht, und ich habe mich gefragt, ob er jemals aufgehört hat.«
»Aufgehört hat?«, wiederholte Erlendur. »Aufgehört hat womit? Zu unterrichten?«
»Nein, ich meine aufgehört hat mir den Jungen.«
»Wovon redest du eigentlich?«
»Darüber möchte ich lieber nicht am Telefon sprechen.«
»Ich werde sofort jemanden zu dir schicken, der das, was du zu sagen hast, zu Protokoll nimmt.«
»Ausgezeichnet«, entgegnete der Mann am Telefon und nannte eine Adresse in Hvolsvöllur. Nachdem Erlendur aufgelegt hatte, beorderte er Sigurður Óli,
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