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Menschensoehne

Menschensoehne

Titel: Menschensoehne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indridason
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aufs Land zu fahren und mit diesem Guðni zu sprechen, da er selbst an dieser dämlichen Pressekonferenz teilnehmen müsse. Sigurður Óli notierte sich die Adresse und machte sich unverzüglich auf den Weg. Erlendur befürchtete, dass Anrufe dieser Art jetzt zu Hunderten eingehen würden und die Polizeikräfte um ein Vielfaches verstärkt werden müssten. Er befasste sich der Reihe nach mit seinen Mitarbeitern, aber bei den gestrigen Befragungen war eigentlich so gut wie nichts herausgekommen, außer dass feuerbeständiges Schnurmaterial auch beim Räuchern von Lebensmitteln verwendet wird, sowohl beim Räuchern von Lammfleisch als auch von Lachs.
    »Was willst du damit sagen?«, fragte Erlendur den Polizisten grantig, der ihm diese Auskunft gegeben hatte. »Sind wir jetzt also hinter einem Ökotrophologen her?«
    Sigurður Óli musste auf dem Weg nach Hvolsvöllur den Hellisheiði-Pass überqueren, der um diese Jahreszeit seine Tücken haben konnte, aber Sigurður Óli war einer der großen Geländewagen der Polizei zur Verfügung gestellt worden. Der Pass war tief verschneit, und in den dichtesten Schneeschauern konnte man nicht die Hand vor Augen sehen. Im Radio war den Leuten abgeraten worden, diese Strecke zu fahren. An einer Stelle überholte er einen der geländegängigen Wagen der Rettungsmannschaften, die all denen Beistand leisteten, die von der Straße abgekommen waren oder hoffnungslos festsaßen. Nicht wenige Autos standen am Straßenrand, weil ihre Besitzer vor dem Wetter kapituliert hatten. Bei einigen war die Warnblinkanlage eingeschaltet, bei anderen nicht. Wahrscheinlich ist die Batterie leer, dachte Sigurður Óli, während er an ihnen vorbeipreschte. Er kam trotz der Straßenlage zügig vorwärts, aber es wäre ihm nicht eingefallen, unterwegs zu halten und anderen seine Hilfe anzubieten. Der Jeep schaffte die Strecke spielend. Als er die Serpentinen bei Hveragerði hinunterfuhr, besserten sich die Straßenverhältnisse zusehends. Er brauchte nicht lange bis Selfoss, und nach einer weiteren knappen Stunde war er in Hvolsvöllur. Er hatte trotz widriger Wetterverhältnisse kaum mehr als zwei Stunden gebraucht.
    Der ehemalige Schulleiter Guðni wohnte in einem Viertel mit lauter Einfamilienhäusern, die Sigurður Óli alle gleich auszusehen schienen, und zwar nicht nur in Hvolsvöllur, sondern in ganz Island; ein simpler viereckiger Betonkasten mit angebauter Garage. Er ging zum Haus und klingelte. Guðni kam selbst zur Tür, stellte sich vor und erklärte, ihn erwartet zu haben. Sie tauschten ein paar Bemerkungen über das Wetter, die Straßenverhältnisse und den Pass aus, bevor sie sich mit einer Tasse Kaffee setzten. Sigurður Óli gab sich alle Mühe, nett zu sein, und bedankte sich bei der Dame des Hauses ausgiebig für den Kaffee. Erst als er diese ganze Prozedur hinter sich gebracht hatte, konnten sie zur Sache kommen.
    »Ich hatte damals schon einige Jahre die Volks-und Mittelschule hier geleitet«, begann Guðni und reckte das Kinn vor. Sigurður Óli registrierte, dass die Ehefrau in ein anderes Zimmer ging und die Tür hinter sich zumachte, und er überlegte, ob sie das so abgesprochen hatten. Sie war außerordentlich beflissen und zuvorkommend gewesen und lächelte die ganze Zeit übertrieben, aber Sigurður Óli hatte den Eindruck, als müsste sie sich ganz schön Mühe dabei geben. Die wichtigtuerische Art des ehemaligen Schulleiters entging ihm nicht. Guðni war in der kleinen Landgemeinde eine einflussreiche Persönlichkeit, und das seit vielen Jahren. Er redete ziemlich geschwollen daher und hielt sich vor lauter Einbildung so gerade, als hätte er einen Stock verschluckt. Der ansehnliche Bauch, den er vor sich herschob, ließ ihn irgendwie unförmig wirken. Sein Gesicht war voller Falten, und während sie miteinander redeten, zündete er sich eine Zigarette an der anderen an. Guðni erklärte, in der Zeitung über Halldórs Tod gelesen und die Nachricht von dem Brand im Fernsehen gesehen zu haben, aber als am nächsten Morgen in der Zeitung stand, dass es sich um Mord handelte und die Kinder in der Schule unter Verdacht stünden, hatte er sich gezwungen gesehen, Verbindung mit der Polizei aufzunehmen. Sigurður Óli musste an all die Informationen denken, mit denen die Kriminalpolizei von nun an bombardiert werden würde. Nach mühsamster Nachforschung würde sich dann herausstellen, dass es sich bei den allermeisten um völlig wertlose Hinweise handelte. Aber es konnte auch

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