Menschenteufel
ließen Freund aussehen wie eine
Kreuzung aus gescheckter Kuh und Müllmann. Dank eines Schmerzmittels, das ihm
der Arzt gespritzt hatte, spürte er nichts.
Neben ihm wurde Petzold auf einer identischen Bahre versorgt. Aus
unerfindlichen Gründen umklammerte sie ihr Handy, das die Angreifer während des
Kampfes im Keller verloren hatten. Eine Ärztin drückte auf ihr herum und hörte
mit dem Stethoskop den Oberkörper ab. In ähnlich unbeschwertem Ton wie Freunds
Behandler erklärte sie der Inspektorin, dass wahrscheinlich ein paar Rippen
angeknackst oder gebrochen waren. Beim Kopf werde man sehen. Genaueres würde
ein Röntgen zeigen. Dabei würde man auch mögliche innere Verletzungen erkennen.
Petzolds Gesicht hatte die Farbe des Lakens, auf dem sie lag. Ihr
rechtes Auge war fast zugeschwollen. Die Backe darunter war ebenfalls deutlich
dicker als sonst. Überzogen wurden beide von einem stattlichen Bluterguss. In
der Lippe leuchtete ein langer Cut. Blaue Flecken und Abschürfungen
komplettierten die Verwüstung. Keine Sorge, das wird alles wieder, hatte die
Ärztin versichert. Für aufmunternde Worte war Freund zu wütend. Zuerst
hierhermüssen und sich dann auch noch überrumpeln lassen.
Nach der Flucht der beiden Vermummten aus dem Keller hatte Freund
als Erstes seine Hosen und Schuhe angezogen. Der Rest seiner Kleidung war nicht
mehr zu gebrauchen. Vorsichtig hatten sie sich in die Empfangshalle
vorgearbeitet und von Freunds Telefon die Einsatzzentrale angerufen. Bis zu
deren Eintreffen untersuchten sie sich gegenseitig oberflächlich, in einer Hand
immer eine Waffe. Trotz seines Ärgers bedankte Freund sich bei Petzold für die
Lebensrettung. Sie gab den Dank zurück und meinte, dass sie es nur gemeinsam
geschafft hatten. Schließlich waren sie mitten in der hell erleuchteten Halle
Rücken an Rücken zusammengesunken und hatten schweigend gewartet, jeder seine
Hälfte des Raums im Blick und die vergangenen Minuten im Kopf.
Zwanzig Minuten später war das Haus voll mit Menschen. Weiß
verpackte Spurensucher schritten jeden Zentimeter ab. Varic und Spazier hatten
sich mit den anderen Inspektoren über die Zimmer verteilt. Mitglieder des
Sonderkommandos COBRA durchsuchten den Ort von
oben bis unten nach den beiden Flüchtigen, dem Mörder und seinen Opfern.
Hinter den Ärzten und Sanitätern standen Obratschnik und Wagner. Als
Freund mit ihnen telefoniert hatte, glaubten sie zunächst kein Wort. Als sie
eintrafen und ihn sahen, überhäuften sie ihn mit Vorwürfen.
Sie hielten ihm Unprofessionalität und Verantwortungslosigkeit vor.
Zu Recht. Trotzdem wollte er in diesem Moment nichts davon hören. Er war
bewusstlos geschlagen worden, man hatte ihn fast bei lebendigem Leib
zweigeteilt, jeder Knochen tat ihm weh, von seinem Kopf ganz zu schweigen. Die
Kollegin Lia Petzold war in keinem besseren Zustand, vielleicht sogar einem
schlimmeren. Immerhin hatten sie den Mörder entdeckt. Wenn auch zu spät. Es war
der falsche Augenblick für Vorhaltungen.
»Ich verstehe es noch immer nicht«, erklärte Obratschnik grantig.
»Ich auch nicht«, gab Freund müde zurück. In der ersten Aufregung am
Telefon hatte er ohnehin nur das Notwendigste erzählt, um alle Kräfte zu
mobilisieren. Nach den dringendsten Sicherungsmaßnahmen hatte er eine
Kurzschilderung abgegeben. Gut möglich, dass sie zu knapp oder verworren
ausgefallen war. Was erwarteten sie, wenn gleichzeitig ein Arzt in seinem Bauch
herumfingerte und auf diversen Beulen herumdrückte?
Erst langsam begannen sich auch in seinem Kopf die Tatsachen neu
zusammenzusetzen. In den letzten Stunden hatte er mehr erfahren als in den
vorangegangenen Tagen zusammen.
Inzwischen waren Spazier und Varic zu ihnen gestoßen.
»Können Sie reden?«, fragte er Petzold.
Sie nickte.
»Erzählen Sie von Ihren Ermittlungen.«
Mit leiser Stimme und knappen Worten berichtete die Inspektorin von
Colin Short, seiner Suchanzeige und der damit verbundenen Wienreise. Sie
beschrieb den Überfall, die Brustverletzungen und ihr erstes Gespräch mit
Gerwald Köstner in der Tatnacht. Den Zwist mit den Leuten vom BVT ließ sie aus. Mit wachsender Ungeduld hörten
Obratschnik und Wagner von Vater und Sohn Stiks, die Petzold erneut an Köstner
verwiesen hatten, welcher zu diesem Zeitpunkt aber nicht mehr anzutreffen war.
Zwischendurch beendeten die Ärzte ihre Arbeit an Freund und Petzold
und zogen sich zurück, nicht ohne die beiden zu ermahnen, so bald wie möglich
ein Krankenhaus
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