Menschenteufel
Notizen
wartete der Leiter der Kriminaldirektion Eins, Jakob Furler. Neugieriges
Gemurmel erfüllte die Luft, bis Furler zu sprechen begann.
»Ich möchte und muss Sie nur ganz kurz von Ihrer Arbeit abhalten. Nach
den aktuellen Entwicklungen der vergangenen Nacht hat der Polizeipräsident
beschlossen, alle Ermittlungen in der Sonderkommission zusammenzuführen und
deren Leitung auf einer höheren Ebene zu vereinigen, auch als Signal an die
Öffentlichkeit, dass die Polizei den Fall sehr ernst nimmt. Deshalb leite die
Sonderkommission ab sofort ich.« Souverän sieht anders aus, dachte Freund. »Die
neue Sonderkommission heißt ›Satyr‹. Die Kollegen Obratschnik und Wagner leiten
als meine Stellvertreter weiter ihre jeweiligen Teams.« Er hielt die
Tageszeitung mit Boderts Bild auf der Titelseite hoch. »Nach diesem unseligen
Artikel von heute Morgen laufen bei uns natürlich die Leitungen heiß. Halb
Österreich will diesen Bodert gesehen haben. Wir ersticken in Hinweisen, die
bewertet und aussortiert werden müssen. Obratschnik und Wagner übernehmen die
Einteilung. An die Arbeit. Danke.«
Obratschnik erhob die Stimme. »Mein Team wieder hinüber! Dort folgt
Weiteres.«
Wagner wartete, bis die anderen das Zimmer verlassen hatten, dann
verteilte er die Aufgaben. Zehn Beamte nahmen schon wieder Anrufe entgegen, die
übrigen bekamen jeweils einen Stapel Hinweise und sollten sie abarbeiten.
Freund schnappte sich einen und ging damit in sein Zimmer zurück. Hier hatte er
wenigstens Ruhe.
Dachte er. Auf dem Besucherstuhl wartete bereits Petzold. Statt
unter abenteuerlichen Bandagen verbarg sie ihre Verletzungen heute notdürftig
hinter Schminke, Haaren und einer Baseballkappe. Dafür zogen die Nähte auf
ihrer Oberlippe Blicke an wie Fliegen Fische.
»Was wollen Sie schon wieder?«
»Und Ihnen auch einen schönen Tag«, erwiderte Petzold. »Tomlins war
auf der Spur von Kinderschändern. Als er umgebracht wurde, kratzte er als
Letztes seinen Spottnamen für jenen Mann in den Staub, der in unserer
Geschichte immer wieder auftaucht, Gerwald Köstner.«
»Über den haben wir inzwischen eine ganze Menge Neues«, unterbrach
sie Freund und erzählte, was sie entdeckt hatten. Mit zunehmend entsetzter Miene
hörte ihm Petzold zu. Als er geendet hatte, sagte sie: »In Fall Colin Short
bringt mich das aber leider auch nicht weiter.«
»Haben Sie keine anderen Anhaltspunkte?«
»Ehrlich gestanden, hoffe ich auf Ergebnisse der
Spurenuntersuchungen aus Köstners Haus.«
Freund streckte ihr die Tageszeitung mit Boderts Konterfei entgegen.
»Haben wir das Ihrer Freundin zu verdanken?«
»Nein. Sie hat mir versprochen, stillzuhalten, bis ich die Erlaubnis
gebe, etwas zu veröffentlichen.«
»Kann sie herausfinden, woher die Zeitungen ihre Informationen
haben?«
»Ich kann sie fragen. Wird aber schwierig. Quellenschutz, Sie wissen
schon.«
Freund grummelte Unverständliches, beschied sich aber mit der
Erklärung. Er musterte sie kurz. Er wusste, warum sie da war. Und im Moment
konnten sie jede Hilfe brauchen. Er drückte ihr einen Teil seines
Hinweisstapels in die Hand. »Der Computer nebenan ist immer noch frei.
Vielleicht finden Sie in den Hinweisen zu Bodert ja auch etwas zu Ihrem Fall.«
So gut es ihre vernähte Lippe zuließ, grinste Petzold ihn an und
verließ den Raum.
Die Anruferinnen und Anrufer entpuppten sich als die übliche
Gemengelage. Aus dem Nebenzimmer drangen die leisen Stimmen der Anrufe, die
Inspektorin Petzold abhörte. Bald begann Freund die Hitze zu spüren, die wieder
die Kraft der vergangenen Tage erreicht hatte. Nach einer halben Stunde
beschloss er, eine kleine Pause einzulegen.
Erst auf dem Weg zum Getränkeautomaten sickerte die Bedeutung der
letzten Aufnahme in sein Bewusstsein. Hastig drückte er sich einen Apfelsaft
aus dem Automaten und lief trotz der Wärme auf den Fluren zurück in sein
Zimmer. Schweißgebadet fiel er in seinen Stuhl und hörte die Meldung noch
einmal an.
Vor weniger als einer Stunde hatte eine Immobilienmaklerin
angerufen. »Ich weiß nicht, ob Ihnen das weiterhilft. In den vergangenen
Monaten habe ich Herrn Bodert mehrere Häuser in und um Wien gezeigt.«
Freund hörte die Aufzeichnung ein drittes Mal an. Die Stimme der
Frau klang geschäftsmäßig. Ihre Beschreibungen waren kurz und präzise. Keine
Geschichtenerzählerin. Keine, die Zeit totschlagen musste. Er wählte die
angegebene Nummer.
Nach dem zweiten Feizeichen hob sie ab. Frau Hammerstein wiederholte
ihre
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