Menschenteufel
Verschleierungswillen hin. Alfred
Wuster taucht bisher darin nicht oft auf. Martin Bram schon öfters. Aber ich
konnte erst einen kleinen Bruchteil untersuchen. Fazit: Vielleicht war Wuster
und ist Bram noch immer in Steuerhinterziehung und Geldwäsche verwickelt.
Rauchenden Colt gibt es bis jetzt keinen. So, fertig«, erklärte sie zufrieden
und klopfte auf das eng sitzende Korsett. Spazier verließ den Praterstern
Richtung Reichsbrücke.
Von den wirtschaftlichen Verflechtungen des ersten Opfers hatte
Freund Petzold bislang nur wenig erzählt. Als Freund ihren konzentrierten Blick
sah, erklärte er: »Ich habe noch eine Überraschung für Sie. Dieser Martin Bram,
von dem eben die Rede war, ist auch ein Zögling von Mariabitt. Allerdings ist
er um fast zehn Jahre älter als Norman Bodert. Und damit nicht genug. Er war
jahrelang Mitarbeiter von Gerwald Köstner. Anfang der achtziger Jahre übernahm
er dessen Unternehmensberatung.«
Sie hatten die Donau überquert. Auf der Wagramer Straße näherten sie
sich der Stadtgrenze. Die Landschaft wurde flach. Endlich hatte Spazier die
Sirene abgestellt. Ein Gespräch in normaler Lautstärke war wieder möglich.
»Martin Bram übernahm nicht nur die Geschäfte von Gerwald Köstner«,
warf Flatz ein. »Er führte auch dessen Großherzigkeit fort.« Er blätterte in
einem Notizbuch. »Seit 1980 taucht im Spendenregister von Mariabitt nicht mehr
Gerwald Köstner auf, sondern sein Firmennachfolger Martin Bram.«
»Das ist weiter noch nicht ungewöhnlich. Er fühlte sich vielleicht
seinem alten Heim verpflichtet.«
»Eher wohl jemand anderem«, bemerkte Flatz mit einem Unterton. »Die
Spenden enden nämlich abrupt im Jahr 1984. Danach bekam Mariabitt von Bram nie
wieder auch nur einen Groschen.«
»Im selben Jahr verließ Hermine Rother Mariabitt und wechselte in
die Privatwirtschaft«, bemerkte Freund. Mit einem Seufzen lehnte er sich zurück
und schloss die Augen. »Ich spinne jetzt einmal vor mich hin. Denken wir an
unser Modell von vorhin. Mandtner und Köstner missbrauchen Kinder des Heims
Mariabitt beziehungsweise vermitteln sie anderen. Vielleicht schon seit dem
Zweiten Weltkrieg. Alvin Tomlin kommt ihnen als Erster auf die Schliche und
bezahlt mit dem Leben. Wenn Köstners Kunden in einflussreichen Positionen
sitzen, erpresst er sie.«
»Das passt!«, rief Petzold. Sie berichtete, was Doreens Großvater
ihr über die Gerüchte um Köstner erzählt hatte. »Er dachte, es ging um
Homosexualität. In Wahrheit handelte es sich um Kindesmissbrauch!«
»Und die Quelle seiner Lieferungen, das Kinderheim Mariabitt,
unterstützt er mit Spenden. Würde mich nicht wundern, wenn wir unter den
anderen Spendern auch Namen aus Köstners Aufzeichnungen finden.«
Freund hatte die Augen wieder geöffnet und beobachtete von seiner
erhöhten Position in dem Geländewagen den Verkehr. Familienväter in
großräumigen Autos begleiteten ihre Fahrt aus der Stadt. Auf der Gegenfahrbahn
strömten junge Leute stadtwärts.
»Wahrscheinlich hat Mandtner auch seinen Teil bekommen«, spann
Freund die Gedanken fort. »So geht das über Jahrzehnte. Es setzt sich auch noch
fort, als Hermine Rother Leiterin des Heims wird. War sie mit von der Partie?
Nicht auszuschließen. Vielleicht wusste sie doch mehr, als wir vermutet haben.«
»Die Spenden lassen vermuten, dass sie Mandtners Rolle als Köstners
Lieferantin übernommen haben könnte«, übernahm Flatz die Staffel. »Und Martin
Bram löste irgendwann Köstner als Verteiler und Erpresser ab. Beide zwingen
ihre Kunden nicht nur zu günstigen Entscheidungen in Köstners und Brams Sinne,
sondern sie müssen auch Mandate in ihrer Geldwaschmaschine übernehmen.«
»Demnach hätte Bram Interesse an einem schnellen Ermittlungsende im
Fall des Chimärenmörders. Sonst werden ihre Geheimnisse irgendwann
ausgegraben.«
Ein paar Atemzüge lang waren nur die Geräusche der Straße zu hören.
Sie hatten die Stadt verlassen. Mit einem Mal waren sie in der weiten Ebene.
Über den Äckern und Feldern kämpfte sich die Abendsonne durch den Dunst. Eine
Pfanne auf dem Herd, dachte Freund. Vereinzelte Industriebauten, Baumärkte und
kleinere Wohnbauten flankierten ihren Weg.
»Gegen Martin Bram gibt es aber bis heute nicht die mindesten
Vorwürfe«, merkte Spazier an. »Weder in Richtung Kindesmissbrauch noch
wirtschaftlicher Natur. Der Mann ist so etwas von sauber.«
»Aber ein Engel ist er auch nicht«, wandte Freund ein. »Erinnere
dich an die Aussagen von
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