Menschenteufel
Freund der Umstand bewusst. Die Jagd
war vorbei. Der Chimärenkiller war gestellt. Das letzte Opfer lebend gerettet.
Er durfte einmal tief durchatmen. In seinen Schultern löste sich etwas.
Hinter Varic und Spazier erschienen Petzold und Tognazzi in der Tür.
Misstrauisch betraten sie den stinkenden Raum, die Pistolen immer noch in der
Hand. Auch ihnen gab Freund Entwarnung.
»Bringen wir sie nach oben«, sagte er. »Um den Rest hier unten
kümmert sich die Spurensicherung.«
Köstner war zu schwach zum Gehen. Freund fiel wieder alles ein, was
sie über ihn gehört hatten. Er widerstand dem Impuls, dem geschwächten alten
Mann seine stützenden Hände zu entziehen und ihn auf den harten Betonboden
knallen zu lassen.
»Hilf mir«, forderte er Varic auf, die am nächsten stand. Gemeinsam
schleppten sie den Greis ins Erdgeschoss. Die anderen folgten ihnen mit Bodert.
Noch immer stand die Haustür offen. Von draußen drang warme Luft ins Innere.
Die Dämmerung hatte eingesetzt. Freund sah kaum mehr bis zu den Bäumen, wo ihr
Auto stand.
»Ruf einen Arzt und einen Krankenwagen«, befahl Freund Bruno Flatz.
Welche Ironie! Neben ihnen stand ein Mediziner. »Ich informiere den Pepe.«
Das Gespräch dauerte kurz. Freund berichtete vom erfolgreichen
Zugriff. Er bestellte die Spurensicherung und teilte mit, dass Arzt und
Rettungswagen bereits unterwegs waren. Sobald diese einträfen, würden sie
Bodert in die Stadt bringen. Der Pepe gratulierte ihm und legte auf.
Wahrscheinlich rief er als Erstes nicht bei den Technikern und Kollegen,
sondern bei der Pressestelle an.
Bodert stand regungslos an der Flurwand und verfolgte das Geschehen,
als ginge es ihn nichts an. Zu seinen Seiten wachten Spazier und Flatz wie
Bodyguards. Er wich Freunds Blick nicht aus. Macht nichts, schien er zu sagen.
Macht doch was, dachte Freund. Du hast drei Menschen auf dem
Gewissen. Wenn man das Gewissen nennen wollte.
Köstner hing mittlerweile in der Küche am Wasserhahn, gestützt von
Varic und Tognazzi.
Freund trat vor die Tür. Kaum war die Sonne verschwunden, kühlte die
Luft ab. Vor allem außerhalb der Stadt wurde es jetzt angenehm warm. Auf den
umliegenden Feldern zirpten die Grillen um die Wette. Für einen Moment konnte
man sich im Idyll wähnen. Dann folgten Flatz und Spazier mit dem Gefangenen und
brachten die Wirklichkeit mit. Freund hatte keine Lust, mit Bodert zu sprechen.
Er würde ihn noch früh genug befragen. Und lang genug. Stattdessen öffnete er
die kugelsichere Weste und warf sie auf den Boden. Ein frischer Luftzug
trocknete seinen Schweiß.
Die Kollegen taten es ihm gleich.
Von der Allee her blendeten die näher kommenden Scheinwerfer eines
Autos. Der Rettungswagen, dachte Freund. Das ging schnell. Er wandte sich zum
Haus, um den Kolleginnen Bescheid zu geben.
Die Explosion zerfetzte fast seine Trommelfelle.
Die nächste, unmittelbar darauf folgende, verwandelte die
Kellerfenster in Flammenwerfer. Scheiben splitterten. Aus der Tür quoll
schwarzer Rauch. Instinktiv hatte Freund sich zu Boden geworfen. Aus dem Haus
brüllte das Feuer. Panisch suchte sein Blick die Kolleginnen in den
Küchenfenstern. Hinter sich hörte er lautes Knattern. Er rollte zurück und
fingerte hektisch nach seiner Pistole. Vor ihm schien Bodert wie eine
Marionette mit leicht ausgestreckten Armen zu schweben. Sein Rücken platzte an
ein paar Stellen. Ein Stoß nach dem anderen von einer unsichtbaren Hand ließ
ihn rittlings auf Freund zutaumeln. Am Garteneingang sah Freund das
Mündungsfeuer flackern. Sie verwendeten halb automatische Waffen. Wenige
Schritte vor Freund fiel Bodert auf den Rücken. Er bewegte sich nicht mehr. Und
würde es nie mehr tun, das erkannte Freund sofort.
Er sprang hoch und hechtete hinter Boderts Kombi. Ein paar Scheiben
waren zu Bruch gegangen. Aus den Augenwinkeln sah er Spazier zur anderen
Hausecke flüchten. Jetzt entdeckte er auch Flatz, der dort am Boden lag, wo er
vor wenigen Sekunden noch gestanden hatte. Hilflos wälzte er sich zur Seite,
versuchte seine Hand zu heben, fiel kraftlos zurück. Sein Kopf rollte zur
Seite. Freund blickte in seine flehenden Augen.
Im selben Augenblick flog ein roter Kanister direkt auf Freund zu.
Er stürzte durch die zerstörte Frontscheibe des Autos und blieb auf dem
Fahrersitz liegen. Freund wunderte sich noch über den dunklen Zylinder, der mit
Klebeband daran befestigt war, während sein Körper bereits reagierte und
rannte. Er hatte die Hausecke gerade erreicht, als die
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