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Menschenteufel

Menschenteufel

Titel: Menschenteufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Raffelsberger
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beherrschten die Kunst, die Verneigung, bei der die Hand nicht
mit dem Mund berührt wird, so gewandt, schnell und selbstverständlich zu
absolvieren, dass alles schon vorbei war, bevor die längst nicht mehr an das
Ritual gewöhnten Damen ihre Hände erschrocken zurückziehen konnten.
    Er stellte sich mit dem Namen Baschek vor. Durch die Hotellobby
schritten sie lautlos zwischen schweren, altertümlichen Ledersesseln auf beigem
Spannteppich. Messing überall, die Tische, die Luster, Eckenschutz an den
Wänden, der Fahrstuhl. Ein paar Ficusbäumchen und Palmen im Topf. Eine Gruppe
Asiaten mit kurzen Hosen und Sonnenhüten kam ihnen entgegen. In einem Fauteuil
rauchte ein dicker Mann in ausgeleierten Turnschuhen Zigarre.
    »Doktor Colin Short ist seit fünf Tagen nicht auf seinem Zimmer
gewesen. Wir entdeckten heute, dass sein Bett unbenutzt ist. Da erinnerte ich
mich an eine Zeitungsmeldung aus den letzten Tagen über einen
zusammengeschlagenen Schwarzen.«
    Die Lifttür öffnete sich, und sie stiegen ein. Baschek unterbrach
seine Erklärungen nicht. »Daraufhin fragte ich die Zimmermädchen, ob das Bett
womöglich auch in den vorangegangenen Nächten leer geblieben ist. Als sie das
bestätigten, rief ich die Polizei.«
    »Der Doktor kommt aus den Vereinigten Staaten?«
    Der Hoteldirektor reichte ihr den Pass.
    Das Bild zeigte einen Mann mit gepflegtem Salz-und-Pfeffer-Vollbart
und kurz geschnittenen Haaren in derselben Farbe. Er blickte ernst. Ob er das
immer tat oder nur wegen der neuen Passbildvorschriften? Petzold fand seine
Nase auffallend schmal und die Gesichtsfarbe hell für einen Schwarzen. Das war
ihr schon damals in der Nacht aufgefallen. Sie hatte das Tatortfoto aus dem
Büro mitgenommen. Jetzt verglich sie es mit dem Passbild.
    »Könnte er sein«, meinte der Hoteldirektor. »Aber ich muss zugeben,
dass ich Schwarze oder Asiaten schwerer unterscheiden kann als Kaukasier.«
    Petzold musste sich eingestehen, dass es bei ihr ähnlich war. Von
einem koreanischen Bekannten wusste sie, dass es ihm ebenso ging. Auch mit
Europäern. So funktionieren wir nun einmal, dachte sie. Warum eigentlich? Bei
Gelegenheit wollte sie sich die Erklärungen der Anthropologen, Ethnologen und
Psychologen einmal ansehen.
    Direktor Baschek sperrte das Zimmer mit der Nummer 416 auf.
    »Kennen Sie den Grund für Doktor Shorts Aufenthalt in Wien?«, wollte
Petzold von ihm wissen.
    »Leider nein.«
    »Wie lange ist Doktor Short schon Ihr Gast?«
    »Seit vier Tagen. Er hat für sieben gebucht.«
    »Heute sollte er also abreisen.«
    »Genau.«
    »Daraus wird jetzt wohl nichts.«
    Zwei große Fenster auf die enge Gasse. Vierter Stock, hell. Die
Einrichtung so gediegen altbacken wie im Foyer. An der Wand Kaiserin Elisabeth,
in verschiedenen reproduzierten Varianten. Ein Raumparfum verbreitete dezentes
Limonenaroma.
    Das Zimmer wirkte sehr aufgeräumt. Nur auf dem kleinen Schreibtisch
lagen ein paar Papiere, eine Mappe, ein Laptop.
    »Danke. Ich sehe mich einmal um«, erklärte Petzold dem Direktor.
    »Rufen Sie mich, wenn Sie etwas brauchen.«
    Anständiger Mann, dachte Petzold. Fragt nicht gleich, wann er das
Zimmer wieder vermieten kann. Sie zog Handschuhe über.
    In den Schränken fand sie Hemden, Hosen und Sakkos sorgfältig
aufgehängt. Daneben vier Polos, zusammengelegt. Darunter ein dunkelgrüner
Hartschalenkoffer und ein Schmutzwäschesack. Der Koffer war leer.
    Auf dem Nachttisch lag ein englischsprachiger Wienführer. In der
Lade eine englische Bibel, Marke Hotelexemplar. Das Bett war gemacht. Unter der
Decke versteckte sich ein Pyjama. Im Bad herrschte penible Ordnung. Dieser Raum
war entweder seit Tagen nicht mehr benutzt oder sehr sorgfältig gereinigt
worden. Oder beides.
    Aus dem mattschwarzen Laptop am Schreibtisch schlängelte sich ein
Kabel zur Steckdose. Ein dünneres verschwand in der Telefonbuchse. Der Herr
Doktor wollte auch auf Reisen den Internetanschluss nicht missen. Sie klappte
den Laptop auf und schaltete ein.
    Während er hochfuhr, studierte sie den Inhalt der Mappe. Doktor
Short forschte wohl über Einflüsse der Ursprungskultur auf das Leben von
Immigranten, deren Nachkommen und Entwicklung einer eigenen Kultur. Obwohl ihr
Englisch gut war, verstand sie nicht alles. Allem Anschein nach bereitete er
einen Artikel oder Vortrag vor: »William Edward Burghardt Du Bois’ Influence on
Contemporary Afroamerican Music«.
    Der Computer war voll mit Daten. Hier würde sie auf die Schnelle
nichts finden.
    Warum war

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