Menschenteufel
weitem Bogen flog die Kamera durch die
Luft. Keuchend rappelte Spazier sich auf. »Arschloch«, keuchte er und drehte
dem Knienden den Arm auf den Rücken.
Freund war dazugeeilt und bremste Spaziers Bewegung. »Renk ihm den
Arm nicht aus!«
»Würde ich zu gern.« Er zog den anderen hoch und schob ihn zum
Ausgang.
»Meine Kamera!«
»Können Sie sich bei uns abholen.«
»Die ist sicher kaputt.«
»Nicht meine Schuld. Sie haben hier nichts verloren.«
Er zog den Arm hinter dem Rücken des Mannes noch einmal hoch.
»Lukas!«, ermahnte ihn Freund.
»Ich verklage euch! Scheißbullen!«
Schaute zu viele schlechte Filme, der Mann. Spazier übergab ihn zwei
uniformierten Beamten, die inzwischen herbeigelaufen waren.
»Wie ist der so weit gekommen?«, schnauzte Spazier sie an. »Nehmen
Sie seine Kamera dort mit! Die ist erst einmal beschlagnahmt.«
Mit brüsken Bewegungen putzte Spazier sich Gras und Erde von der
Kleidung. Leise schimpfte er vor sich hin.
»Ich brauche frische Luft«, erklärte er und verließ den weißen
Kreis.
Wagner blickte in den Himmel. »Hat er hier doch genug.«
Freund verstand, was Spazier meinte. Er folgte ihm. Da kamen auch
die beiden anderen mit.
In dem schmalen Zugang zwischen den Planen blieb der Junge abrupt
stehen. Freund konnte nicht mehr halten und rannte ihn fast um. Varic lief auf
ihn auf. Und noch ein Stoß, als sie von Wagner gerempelt wurde. Fast wären sie
alle umgestürzt wie eine Reihe von Dominosteinen.
»Was ist denn jetzt schon wieder!«, rief Wagner.
»Guten Morgen, Herr Präsident …«
In einem hellen Leinanzug und mit weißem Borsalino auf dem Kopf
stand der Pepe vor ihnen.
»… Morgen, Jacky«, grüßte Freund die lange Gestalt von Doktor
Ortwin Roschitz, dem Leiter der Wiener Kriminalpolizei, hinter dem Pepe. Vor
ein paar Jahren war er Freunds und Wagners Gruppenleiter gewesen. Mittlerweile
sagte man ihm Ambitionen auf den Platz des Pepe nach.
Sie drückten sich an die Plane und ließen die beiden passieren. Im
inneren Kreis angelangt wandte sich der Pepe um.
»Was ist? Kommen Sie.«
Also retour. Freund kam Wagner zuvor und trug ihnen eine Kurzfassung
vor.
»Heute Abend haben wir demnach Fernsehteams aus der ganzen Welt
hier.«
Der Pepe stapfte auf den Teufel zu. Davor angelangt stemmte er seine
Fäuste in die Hüften, als fordere er ihn zum Kampf.
»Sagenhaft.«
»Im wahrsten Sinn des Wortes«, seufzte Spazier.
»Wissen wir schon, wer er ist?«
»Der obere Teil oder der untere?«
»Finden Sie das lustig?«
»Wir sind alle noch etwas verstört«, sprang Freund dem Junior bei.
»Sie bilden eine Sonderkommission, Freund. Sie bekommen alle
Ressourcen, die Sie brauchen. Der Fall hat Priorität. Ich habe das unangenehme
Gefühl, das könnte der Anfang von mehr sein.«
Neben sich hörte Freund, wie Wagner scharf ausatmete. Für Freund war
eine Soko nichts Neues. Ihre Führung allerdings schon. War dieser Auftrag eine
Vorentscheidung zur Postenbesetzung? Er konnte zu keiner falscheren Zeit
kommen. Zu Hause verlor sein Vater den Verstand und die Kontrolle über seinen
Körper. Eine Soko würde ihn vierundzwanzig Stunden am Tag beschäftigen. Vater
und Soko, beides konnte er nicht schaffen.
Er musste einmal tief durchatmen, bevor er dem Pepe antwortete. »Aus
familiären Gründen wäre es mir lieber, wenn die Führung dieser Ermittlungen
jemand anderer übernehmen könnte.«
Obwohl er Wagner hinter sich nicht sah, konnte er dessen Erstaunen
und inneren Jubel förmlich spüren. So einfach würde er es ihm nicht machen.
»Vielleicht sogar Doktor Roschitz«, setzte er fort. »Das hier wird
sicher ein großer Fall.«
Roschitz’ Eitelkeit war in der ganzen Behörde bekannt.
Der Pepe musterte ihn nachdenklich, bevor er fragte: »Trauen Sie
sich eine solche Aufgabe denn nicht zu?«
Hatte der Mann nicht zugehört? Aus familiären Gründen, das hatte
Freund doch deutlich gesagt. Der Pepe dreht ihm das Wort im Mund um. Der Zweck
war klar. Wenn Freund jetzt mit »Nein« antwortete, war seine Karriere bei der
Kriminalpolizei zu Ende. Er würde wieder Zeit haben. Er könnte sich zu einem
Innendienst mit geregelten Arbeitszeiten versetzen lassen. Schreibtisch statt
Leichen, Nachtdiensten, Überstunden und unendlicher Ermittlungsarbeit.
»Ich will Unterstützung vom Bundeskriminalamt. Einen Psychologen. V i CLAS , Analyst’s
Notebook, das ganze Programm.«
Der Pepe grinste zufrieden.
»Was Sie brauchen. Sie kennen die Leute ohnehin. Reden Sie
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