Menschenteufel
und die Nase
entgegen.
»Runter!« Sie fegte die Katze von der Zeitung. Principessa wusste
ganz genau, dass Petzold das nicht mochte. Trotzdem kam sie immer wieder, wenn
sie sich vernachlässigt fühlte. Und das war eigentlich jeden Morgen der Fall,
während Petzold die Zeitung las. Wahrscheinlich würde es Petzold bald abgehen,
falls Pi es nicht mehr versuchte. Mit einem beleidigten Maunzen verzog sich das
Tier aufs Fensterbrett.
Für die schwungvolle Bewegung wurde Lia mit einem Schweißausbruch
bestraft. Die Hitze hatte sich mittlerweile auch in den Räumen des Altbaus
festgekrallt. Petzold kippte den letzten Schluck ihres Kaffees hinunter. Sie
füllte noch einmal Wasser in Pis Napf und verließ die Wohnung.
Als sie vor die Haustür trat, lag die Straße noch im Schatten.
Trotzdem schien sie auf einen heißen Strand zu treten. Von allen Seiten
hämmerte die Hitze auf sie ein. Ihr 205 parkte nur zwei Straßen weiter. Jetzt
im Hochsommer fand sie immer einen Parkplatz. Erst wenn die Sonnenanbeter im
September aus dem Süden zurückkamen, musste sie wieder stundenlang kreisen.
Früher war sie viel mit dem Fahrrad gefahren. Damit war es vorbei, seit sie
frisch und gepflegt in einer Dienststelle aufzutauchen hatte. Dort ließen schon
genug Kollegen die Mitwelt an ihren Körpergerüchen teilhaben.
Um Punkt acht Uhr betrat sie beschwingt die Dienststelle. Von ihren
drei Kollegen, mit denen sie ein Büro teilte, war noch keiner anwesend. Aus dem
Kühlschrank in der gemeinsamen Küche holte sie eine Dose eisgekühlten
Fertigespresso. Mit dem leisen Zischen beim Öffnen stieg Kaffeeduft in ihre
Nase. Sie musste weniger von dem Gebräu trinken, sonst würde sie bald eine
Gastritis quälen.
An ihrem Platz schaltete sie den Computer ein. Bis er hochgefahren
war, hatte sie die Dose bereits geleert. In ihrer Mailbox warteten dreißig
Nachrichten. Die morgendliche Verbrechensübersicht aus Wien, interne Mitteilungen,
die üblichen Juxmails, ein paar Sammlungen nutzloser bis hirnverbrannter
Hinweise, die hilfreiche Mitbürger den Kollegen über das Prügelopfer am Telefon
mitgeteilt hatten. Einige der Kandidaten kannte sie mittlerweile. Ob es um
Fahrerflucht oder Handtaschendiebstahl ging, für einen waren es immer die
Außerirdischen. Eine andere bezichtigte sich selbst. Wie beim letzten Mal, wo
es um den Diebstahl von zwanzig Computern gegangen war. Die Frau war
achtundachtzig Jahre alt und saß im Rollstuhl, den sie aus eigener Kraft nicht
mehr bewegen konnte.
Ein E-Mail trug den Betreff »Vermisstenmeldung«. Sie kam von einer
Dienststelle im ersten Bezirk. Entweder war es in Blind Copy an Bohutsch und
Krischintzky vom BVT gegangen – oder nur an sie.
»Schauen Sie sich das einmal an«, hatte der Absender geschrieben,
ein gewisser Karl Blaha. »Wird womöglich seit ein paar Tagen vermisst.«
Angefügt war der Scan einer Vermisstenanzeige. Das schwarz-weiße Bild löste
sich in verschneite Flecken auf. Die Schrift daneben konnte Petzold kaum lesen.
Eine Reisepassseite.
»Colin Short«, entzifferte sie.
Das Dokument war in Philadelphia ausgestellt worden. Ein Pass der
Vereinigten Staaten von Amerika. Als Geburtsdatum für Colin Short wurde der 14. November
1948 angegeben. Das konnte passen. Geburtsort war gleichfalls Philadelphia.
Petzold spürte ihr Herz im Hals klopfen. Eigentlich sollte sie sich
mit den BVT -Beamten kurzschließen. Sie musste
diesen Pass im Original sehen. Eilig scrollte sie das Mail weiter.
Laut Anzeige war Mister Short Gast des Hotel Sisi in der Innenstadt.
Sie nahm eines der Tatortfotos, die sie hinter sich an die Wand gepinnt hatte,
und hielt es neben den Bildschirm. Könnte sein.
In Wien gibt es ein Sisimuseum, Sisischokoladenkugeln und
tausend weitere Touristenneppereien mit dem Konterfei der magersüchtigen
Exkaiserin. Da durfte ein Hotel nicht fehlen. Petzold fand es in einer
Seitengasse der Nobeleinkaufsstraße Kohlmarkt. Colin Short hatte sich im
Zentrum der Stadt einquartiert.
Das Haus stammte aus dem späten neunzehnten Jahrhundert. Petzold
betrat es durch eine automatische Drehtür aus Messing, die sie in einer anderen
Klimazone ausspuckte. Im Empfangsraum mit dem weichen Teppich und dem
Nussholztresen herrschten höchstens achtzehn Grad.
Der Portier meldete sie beim Hoteldirektor an. Zwei Minuten später
erschien der Leiter des Hauses, ein älterer Herr mit schütterem Haar und
Clubkrawatte. Er begrüßte Petzold mit einem vollendeten Handkuss. Nur mehr
wenige Männer
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