Menschenteufel
Doreen ihr Oldtimercabrio
hinter dem Bentley.
Durch die ehemalige Gesindeküche stiegen sie hinauf in die
Empfangshalle mit der weißen Holzvertäfelung. Schon als Kind hatte Petzold die
freundliche skandinavische Anmutung des hellen Entrees geliebt. Mittendrin stand
das Dienstmädchen und hantierte lautstark mit dem Staubsauger. Eigentlich war
sie schon ein ziemlich altes Mädchen. Und genau genommen war sie eine seit
dreißig Jahren verheiratete Frau. Doreen und Petzold bemerkte sie erst, als die
zwei direkt vor ihr standen. Sofort schaltete sie das Reinigungsgerät ab.
Überschwänglich drückte Doreen ihr einen Kuss auf die Wange.
»Ihr Großvater liest im Garten die Zeitung, Fräulein Doreen.«
In der Teakholzgarnitur auf der Terrasse saß Anatol Niklic. Doktor.
Hofrat. Petzold konnte sich nicht erinnern, ihn jemals in Freizeitkleidung
gesehen zu haben. Kurzärmelige Hemden, gar Poloshirts oder, Gott behüte, T-Shirts
sah seine Garderobe ebenso wenig vor wie kurze oder leichte Sommerhosen. In der
dunklen Hose, die zur Schonung der Kniepartie beim Sitzen ein wenig angelupft
worden war und sehr schmale Knöchel in schwarzen Strümpfen, selbstverständlich
keine Socken, präsentierte, den schwarzen Maßschuhen, dem Maßhemd und mit der
handgenähten Seidenkrawatte unter dem blau-weiß gestreiften Seersuckersakko,
einzige und seiner Ansicht nach etwas spleenige Konzession an den Sommer,
passte er ohne Weiteres in den Katalog eines Schneiders aus der Savile Row,
gäbe es solche Druckwerke denn.
Petzold hatte von diesen Kleidungsdingen nichts verstanden, bis
Doreens Bruder sie über den Dresscode aufgeklärt hatte. Als Sechzehnjähriger
war er unsterblich in sie verliebt gewesen und hatte ihr alles aus seiner Welt
erklärt. Geholfen hatte es ihm nichts.
In Anatol Niklics bleiche Altmännermaske kam Bewegung, als er die
beiden jungen Frauen sah. Seine Augen strahlten. Mit den sparsamen Bewegungen
des Hochbetagten begrüßte er sie. Hinter ihnen tauchte das Dienstmädchen auf.
Niklic orderte Ingwer-Eistee für alle.
Fasziniert bemerkte Petzold, dass sie den alten Mann bei der Lektüre
der Financial Times gestört hatte. Fand man in diesem Alter wirklich keinen
interessanteren Lesestoff?
Wie ein kleines Mädchen plapperte Doreen drauflos. Sie erzählte von
ihrer Arbeit und ungeniert von ein paar Affären der letzten Zeit. Während der
ganzen Zeit behielt ihr Großvater seinen Strohhalm im Mund und schlürfte reglos
wie eine Statue gelegentlich von seinem Eistee.
»Bekommst du Gäste?«, fragte sie.
»Eine kleine Runde nur, dreißig Leute kommen heute Abend.«
»Lass uns schwimmen gehen«, rief Doreen ihr unvermittelt zu. Ein
Küsschen für Opa, und schon drängte sie Petzold ins Haus.
»Wir ziehen uns in meinem Zimmer um.«
Seit Petzold sie kannte, hatte Doreen eine Art eigenes Apartment im
Oberstock, inklusive Bad. Dort fischte sie zwei Bikinis aus dem Schrank. Damit
spazierten sie in den oberen Gartenteil zum Pool, neben dem ein kleines
Badehäuschen als Umziehkabine diente.
Petzold hatte einen bunt Geblümten abbekommen, der ihr fast eng
vorkam. Hatte sie zugenommen?
Ohne auf Doreen zu warten, köpfte sie ins Wasser. Nach einer
durchtauchten Länge fiel sie in ausholende, regelmäßige Züge. Die Freundin
schloss neben ihr auf. Schweigend schwammen sie nebeneinander. Nach zwanzig
Minuten und einem abschließenden Wettschwimmen stemmten sie sich atemlos
lachend aus dem Becken und blieben auf den heißen Steinplatten liegen. Die
Hitze von unten und oben machte Petzold schläfrig. Wenn Pribil das wüsste.
Ein kalter Wasserguss weckte sie auf.
»Nennst du das arbeiten?«, rief Doreen.
Petzold brauchte einen Moment, bis sie sich orientiert hatte.
»Wie spät ist es?«
»Keine Sorge. Du warst nur ein paar Minuten weg.«
Petzold schwitzte schon wieder. Sie ließ sich einfach ins Wasser
rollen. Noch einmal den Kopf unter Wasser. Schläfen kühlen. Haare schweben
lassen. Dann stieg sie aus dem Becken.
An seinem Rand wartete Anatol Niklic. Leicht verkrümmt stand er auf
einen Stock gestützt und beobachtete sie. Die Sonnenbrille und der Borsalino
ließen ihn vollends wie einen gealterten Playboy der dreißiger Jahre wirken.
Petzold wickelte sich ein Handtuch um die Schultern. »Darf ich Sie
etwas fragen, Herr Doktor?«
Auf den Titel hatte er, wie jeder gute Österreicher, doch immer
großen Wert gelegt.
»Fragen darfst du alles.«
Sein Du war aus ihren Kindertagen mitgewachsen. Ihr Sie auch. Daran
hatte
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