Menschenteufel
zur
selben Zeit verschwindet wie die beiden anderen. Und alles findet im Umfeld
eines zweifelhaften albanischen Geschäftsmannes statt. Diesen Bashtrin werden
wir einmal besuchen müssen.«
Ihm kam noch ein Gedanke. »Wir haben mittlerweile drei
Vermisstenmeldungen. Bruno, überprüft alle Meldungen der letzten Tage noch
einmal. Vielleicht finden sich Telefonnummern, die nicht in die Datenbank
eingepflegt wurden und deshalb nicht aufscheinen.«
Flatz druckte auch die beiden anderen Personenbeschreibungen aus.
Die fensterlose Längsseite des Raums war mittlerweile übersät von Papier. Im
Zentrum hingen die Tatortfotos. Je nach angenommener Wichtigkeit im
Zusammenhang mit dem Fall hingen Notizen, Schlagworte, andere Bilder oder
Aktenkopien näher oder weiter entfernt.
Freund pinnte die Ausdrucke von Murnegg-Weiss, Bashtrin und
Karelevic dazu.
»Den Murnegg-Weiss beziehungsweise sein Umfeld werden wir uns wohl
genauer ansehen müssen. Wer hat Zeit? Keiner natürlich. Bleibt das also an mir
hängen. Alfons, du begleitest mich.«
Jetmir Bashtrin blickte dem Inspektor von der äußersten Ecke
entgegen. Freund überlegte kurz, dann ging er hinüber, hängte das Bild ab und
klebte es zwischen Wusters, Rothers und das von Murnegg-Weiss.
»So. Und zu dem müssen wir auch.«
»Da brauchen wir nicht einfach so vorbeizuschauen. Ich kümmere mich
um einen Termin«, sagte Tognazzi.
»So weit sind wir schon«, schimpfte Spazier, »dass man mit
Verbrechern Termine vereinbaren muss.«
Krachend flog die Tür auf. Viktoria Ivenhoff trat nicht ein. So
musste die antike Rachegöttin ausgesehen haben, durchfuhr es Freund, als sich
ihre Blicke trafen.
Die Theorien des Bösen
Mit dem wütenden Laufschritt der Teamsekretärin konnte Freund
kaum Schritt halten.
»Keine Minute länger schaue ich auf diesen Irren! Da verzichte ich
lieber auf die Lipizzanerkarten!«
»Er tut nichts davon absichtlich!«
»Das wäre ja noch schöner! Wobei ich mir da gar nicht so sicher
bin.«
In ihrem Büro erwartete Freund das Chaos. Sein Vater stand vor einem
der Registerschränke und sortierte Akten stapelweise aus. Mit einem Griff warf
er sie über seine Schulter, wo sie sich wie ein Möwenschwarm zu Boden senkten
und verteilten.
»Ich konnte ihn nicht stoppen!«, rief Ivenhoff. »Kaum hatte ich ihn
von einem Kasten weg und begann mit dem Aufräumen, war er schon beim nächsten.«
Sie rang mit den Tränen.
Freund packte den alten Mann an den Schultern und zerrte ihn weg von
den Papieren. »Papa, verflucht …! Was tust du da?«
»Was tut wer?«
»Du! Ich habe dich gebeten, dich zu benehmen!«
Er schob ihn in sein Büro. Dort sah es noch schlimmer aus als in
Ivenhoffs Raum. Über verstreute Unterlagen und Opern- CD s
hatte Oswald Freund auch noch seinen Kaffee verschüttet.
»Okay, verd…«, murmelte Freund, nach Fassung ringend.
»Setz dich!« Er drückte den Vater ins Sofa. Als dieser gleich wieder
aufspringen wollte, packte er ihn so fest an der Schulter, dass sein Vater
aufwinselte. Erschrocken ließ Freund von ihm ab. Zitternd saß der alte Mann in
den Polstern und starrte ihn aus großen Augen an. In der Tür stand Ivenhoff wie
versteinert. Hektisch begann Freund die Papiere aufzusammeln und ungeordnet auf
seinem Schreibtisch zu stapeln.
»Entschuldige bitte, aber schau dir an, was du angerichtet hast. Ich
habe einen Termin. Ich habe Ermittlungen zu leiten. Ich kann nicht den ganzen
Tag …«
Er merkte, wie er sich benahm, und hielt mitten während der Bewegung
inne. Noch immer beobachtete Ivenhoff ihn von der Tür. Sein Vater verfolgte ihn
mit verängstigtem Blick.
»Es tut mir leid«, sagte Freund zu beiden. »Es tut mir leid. Ich
habe die Nerven verloren.« Er legte den letzten Papierstapel auf seinen Tisch.
»Kein Wunder«, bemerkte Ivenhoff leise. »Haben Sie denn niemanden,
der sich um ihn kümmert?«
Doch. Mich.
»Meine Schwägerin hat ein slowakisches Schwesternpaar«, sagte sie,
»das ihre Mutter rund um die Uhr betreut. Wenn Sie wollen, frage ich sie
einmal, ob sie jemanden weiß.«
Freund wischte sich den Schweiß und die Scham von der Stirn.
Ivenhoffs Zorn war verflogen. Und mit ihm wahrscheinlich jeglicher Respekt vor
mir, dachte Freund. Doch in den Augen der kleinen Frau lag nur Mitleid.
»Das … das wäre nett.«
Er ging zu seinem Vater hinüber und wollte seine Hand nehmen, doch
der Alte zuckte zurück. Freund bat ihn noch einmal um Entschuldigung.
»Ich beginne mit dem Aufräumen«, hörte er Ivenhoff
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