Menschenteufel
von der Polizei?«
Freund zeigte ihr seinen Ausweis.
Mit ausgestreckten Armen und zurückgedrücktem Kopf drehte sie die
Karte zweimal herum.
»Ah! Oberinspektor Freund! Die Polizei, dein Freund und Helfer!«
Einen Cent für jedes Mal, dass er diesen Spruch gehört hatte! Er
quälte sich ein höfliches Lächeln ab und steckte seine Legitimation wieder ein.
»Na gut, Herr Oberinspektor Freund. Ich bin da vorsichtig. Aber Sie
schauen vertrauenswürdig aus, wie ein Freund und Helfer das tun sollte.«
»Das ist übrigens mein Kollege, Oberinspektor Alfons Wagner. Und der
Kollege … äh … Oswald.«
»Angenehm, Kohn, Elvira Kohn.«
Als sie die Tür öffnete, schlug irgendwo im Haus ein Fenster zu.
»Scha-hatz! Wir haben Gäste. Unsere Freunde und Helfer sind da wegen
des Herrn Baurats!«
Die Einrichtung des Hauses war eine Mischung aus zeitlosem Rustikal
und Messing. An einer Küche und zwei geschlossenen Türen vorbei führte Frau
Kohn ihre Gäste ins Wohnzimmer. Hinter einer geöffneten Glasschiebetür blickte
man unter einer grün-orangefarben gestreiften Markise über die Terrasse in den
Garten.
Herr Kohn hatte sich an einem Plastikgartentisch hinter einer
Zeitung verschanzt und präsentierte nur ein paar sonnengegerbte Beine.
»Scha-hatz!«
Sie trat ins Freie zu ihrem Mann und drückte die Zeitung hinunter.
Dahinter kam der getoastete Herr Kohn zum Vorschein. Eine Fliegerbrille mit
grünen Gläsern und Goldrand verspiegelte seine Augen. Aus den Ohren daneben
liefen zwei weiße Kabel zu einem iPod auf seinem behaarten Bauch. Freund konnte
ihn gut verstehen.
Als er die Polizisten sah, zog er die Stöpsel aus den Ohren und schob
die Brille über die Altersflecken auf dem kahlen Kopf.
Seine Frau erklärte ihm noch einmal lautstark, wer Freund, Wagner
und »Oswald« waren.
Er streckte ihnen lachend die Hand entgegen. Dabei machte er den
gleichen abgestanden Witz über Freunds Namen wie seine Frau.
»Setzen wir uns in den Schatten«, sagte er und packte zwei Stühle an
den Lehnen.
Frau Kohn servierte Gläser randvoll mit Eiswürfeln und Minzeblättern
und goss kalten Tee darüber. Oswald Freund setzte sich, als sei er sein Leben
lang Polizist in derartigen Situationen gewesen.
»Herr Murnegg-Weiss ist immer sehr zuverlässig«, erklärte Frau Kohn.
»Und wir sehen ihn ja eigentlich auch fast jeden Tag irgendwann. Deshalb ist
uns der volle Briefkasten sofort aufgefallen.«
»Ein komischer Briefkasten«, bemerkte Oswald Freund.
Laurenz Freund brach der Schweiß aus. Hatte sein Vater auf
Murnegg-Weiss’ Briefkasten geachtet? Tatsächlich stand vor dem Haus ein
klassischer amerikanischer Aluminiumkasten mit rotem Fähnchen.
»Na ja, so einer wie aus den Filmen eben«, antwortete ihre
Gastgeberin. »Der Briefträger tut ihm sogar den Gefallen und stellt das
Fähnchen auf, wenn er voll ist.«
»Wenn der Briefträger voll ist?«, fragte Oswald Freund todernst.
Herr Kohn lachte laut los und konnte sich kaum halten. »Das ist er
manchmal wirklich, glaube ich!«
Laurenz Freund fühlte sich, als ob er Fieber bekäme.
Als Herr Kohn sich unter dem tadelnden Blick seiner Gattin wieder
gefangen hatte, fragte sie: »Haben Ihre Kollegen auch den schwarzen Mann
erwähnt?«
»Elvira, bitte …«, unterbrach Herr Kohn.
»Was denn? Herr Murnegg-Weiss hat es mir erzählt. Er war besorgt.
Warum soll ich das dann nicht der Polizei sagen? Vielleicht hilft es ihr ja
weiter?«
»Was für ein schwarzer Mann?«, unterbrach Freund den Ehezank.
»Ja!«, rief Oswald Freund. »Wer hat Angst …«
»Davon stand nichts in der Anzeige«, unterbrach sein Sohn ihn
schnell.
Elvira Kohn senkte ihre Stimme, als könnte jemand Unerwünschtes
mithören. In ihrem Fall bedeutete das normale Sprechlautstärke.
»Am Tag vor seinem Verschwinden haben wir kurz miteinander
geplaudert. Er war nervös. Er sagte, er wird verfolgt. Von einem schwarzen
Mann.«
»Was heißt ›schwarz‹?«, fragte Wagner. »Ein Afrikaner? Oder ein Mann
in schwarzer Kleidung?«
»Ein Rauchfangkehrer?«, fügte Oswald Freund hinzu.
Wagner warf Laurenz Freund einen vernichtenden Blick zu.
Frau Kohn merkte davon nichts. »Gute Frage. Das hat er nicht gesagt.
Und ich habe ihn nicht gefragt. Er redete einfach nur von einem schwarzen Mann.
Dieser Teufel ist hinter mir her, sagte er.«
Unwillkürlich tauschten Freund und Wagner Blicke.
»Was meinte er mit ›Teufel‹? Hat er wirklich ›Teufel‹ gesagt?«,
wollte Freund wissen.
»›Dieser Teufel‹, so
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