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Menschliche Einzelteile (German Edition)

Menschliche Einzelteile (German Edition)

Titel: Menschliche Einzelteile (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niels Peter Henning
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„Da
ist eine Nummer nur drin, wenn man sie abspeichert. Du hast aber
nichts gespeichert. Du hast nur gewählt. Du musst dir also die
Liste der zuletzt gewählten Nummern anzeigen lassen.“
    Remo
blickte auf. „Geht das?“
    „ Müsste
eigentlich gehen.“
    Nun
mischte sich Jessy ein: „Remooo, guck doch mal in mein Handy.
Da hattest du die Nummer doch eingetippt. Die ist bestimmt noch
drin.“
    „ Na
klar!“, brüllte Remo seine Freundin an. „Die Nummer
vom Revier. Da ist die Nummer vom Revier drin! Aber da ist doch
keiner. Ich suche die Privatnummer vom Litzinger.“
    In
den Sekunden, die auf diese Bemerkung folgten, konnte Sören
buchstäblich die Zahnräder in den Gehirnen der Anwesenden
rattern hören. Nur im Kopf der Kleinen, die neben ihm noch
immer vor sich hin zitterte, ratterte überhaupt nichts. Dort
eierte vielleicht nur irgendein Zahnrädchen herum, das von
seiner Welle gerutscht war.
    Und
dann sagte Jessy: „Ach Remooo, die Nummer hast du doch
überhaupt nicht.“
    Remo
schaute zu ihr auf – und ließ die Hand mit dem Mobilteil
nach unten sacken. „Na toll. Und wieso sagst du mir das jetzt
erst?“
    Jessy
setzte gerade zu einer Antwort an, als ein Sofakissen mit einem
„Poff!“ explodierte. Plötzlich flogen überall
Federn durch die Gegend. Für einen Augenblick dachte Sören,
eine fette Taube sei in den Raum geflattert und direkt neben dem
Sofa geplatzt.
    Erneut
herrschte für eine Sekunde Stille. Dann knallte es noch einmal
– und dann feuerte der Schinken einen Schuss aus seiner
Pumpgun in den Treppenvorraum.
    Sören
fühlte sich in diesem Augenblick in seine frühe Jugend
zurückversetzt. Damals im Kindergarten hatten ihm einige
Spaßvögel einen Papierkorb aus Plastik über den Kopf
gestülpt und mit einer Suppenkelle, die sie aus der
Kindergartenküche gemopst hatten, darauf herum getrommelt.
Dabei hatten sie gesungen: „Wir haben Hunger, Hunger, Hunger!“
Das war ein ähnliches Gefühl gewesen – sofern man
den Papierkorb im Geiste gegen eine Kesselpauke, die Suppenkelle
gegen einen Vorschlaghammer und die Kinder gegen eine Mischung aus
dem unglaublichen Hulk und dem Drummer von Motörhead
eintauschte.
    Als
sich Sörens Blickfeld einigermaßen klärte, hatten
sich alle auf den Boden geworfen und hinter Möbelstücke
zurückgezogen. Remo und der Schinken kauerten hinter dem Sofa.
Ewald hatte sich rechts neben der Doppelflügeltür gegen
die Wand gepresst und Detlev hielt sich auch rechts, in der Nähe
der Terrassentür. Jessy hatte sich unter das Fenster zur Linken
zurückgezogen. Sogar der Typ aus Frankfurt hatte seine Position
verändert – er saß nicht mehr im Sessel, sondern
dahinter.
    Wie
Sören erkannte, hatten alle Deckung gefunden. Alle –
außer ihm und der Kleinen. Er murmelte: „Ojeee!“,
streckte die Beine aus und ließ sich einfach unter den Tisch
gleiten. Die Kleine saß noch immer da und zitterte, doch das
ging Sören in diesem Augenblick gepflegt am Arsch vorbei. Er
wollte zunächst einmal wissen, was eigentlich vor sich ging. Er
würde allerdings kaum die Gelegenheit bekommen, jemanden danach
zu fragen – insbesondere nicht bei diesem Lärm.
    Detlev
feuerte mit seinem Colt in den Treppenvorraum. Dann wagte sich auch
Ewald ein Stück nach vorne. Er linste um die Ecke und feuerte
eine Salve aus seiner Maschinenpistole. Anstatt die Waffe dabei in
die linke Hand zu nehmen, verdrehte er das rechte Handgelenk. Dann
fluchte er, weil ihm die leeren Patronenhülsen vom Auswerfer
der Waffe ins Gesicht geschleudert wurden. Von draußen wurde
das Feuer erwidert. Eine rasche Folge von Schüssen knallte. Die
Geschosse fetzten Geschirr vom Esstisch, stanzten Löcher in die
Wand, ließen Glas splittern und bauschten die Vorhänge.
    Remo
robbte um das Sofa herum. Dann erhob er sich – weit genug
links von der Tür, um nicht in das Blickfeld des Heckenschützen
zu geraten. Danach schlüpfte Remo um den Couchtisch herum, am
Fernseher vorbei und am Bücherregal entlang, bis zur
Doppelflügeltür. Wie Sören erkannte, wollte Remo sich
an die Tür heranarbeiten, um dann überraschend das Feuer
von links zu eröffnen.
    „ Mensch
Remooo“, quengelte Jessy in diesem Moment, „geh doch
nicht so nah von links an die Tür heran. Da draußen ist
jemand am schießen.“
    Remo
warf seiner Freundin einen Blick zu, den man ohne Weiteres als
tätlichen Angriff hätte werten können.
    „ Danke,
Schatzi. Aber pass bloß auf, dass du denen nicht meine genaue
Position verrätst“,

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