Menschliche Kommunikation
Patienten genauso zu erfüllen wie eine «normale» Sicht der Welt für jemand anders.' Wichtig ist jedoch, dass wir Menschen an die von uns wahrgenommenen Phänomene mit einer Reihe von Prämissen herangehen und dass unsere Beziehung zur Wirklichkeit im weitesten Sinn (und nicht nur zu ande ren Menschen) von diesen Prämissen bestimmt wird. Es ist anzunehmen, dass diese Prämissen aus der riesigen Zahl von
Lebenserfahrungen eines Individuums hervorgehen und ihr Entstehen daher praktisch jenseits jeder Exploration liegt. Es kann
aber kein Zweifel darüber bestehen, dass man als Mensch nicht
nur die Ereignisabläufe in zwischenpersönlichen Beziehungen
interpunktiert, sondern dass dieselbe Interpunktion in dem ständig notwendigen Auswertungs- und Ordnungsprozess der zehntausend Sinneseindrücke am Werk ist, die man in jeder Sekunde
von seinem inneren und äußeren Milieu erhält. Um eine in
Abschnitt 3.42 gemachte Spekulation zu wiederholen: Wirklichkeit ist für uns vermutlich das, was wir für wirklich halten. Existenzphilosophen sehen die Beziehung zwischen dem Menschen
und seiner Wirklichkeit sehr ähnlich; sie sehen ihn in eine
undurchsichtige, form- und bedeutungslose Welt geworfen, aus
der er selbst seine Situation schafft. Seine spezifische Form des
«In-der-Welt-Seins» ist daher das Resultat seiner Wahl, ist der
Sinn, den er einer Welt gibt, die vermutlich jenseits objektiven
menschlichen Verstehens ist.
8.41 Begriffe, die denen der Prämissen dritter Ordnung entsprechen, wurden schon seit geraumer Zeit in den Verhaltenswissenschaften definiert. In der Lerntheorie wurden Stufen des Lernprozesses (die der von uns erwähnten Hierarchie des Wissens
entsprechen) unabhängig von Hull et al. [62] 1940 identifiziert
und untersucht, 1942 und erneut 1960 von Bateson [7, 13] und im
Jahre 1949 von Harlow [59], um nur die wichtigeren Studien zu
erwähnen. Dieser Zweig der Lerntheorie postuliert, dass zusammen mit dem Erwerb einer Kenntnis oder einer Fähigkeit sich
auch eine Fähigkeit herausbildet, die das Lernen selbst zunehmend leichter macht. Mit anderen Worten, man lernt nicht nur
etwas, sondern erlernt auch zu lernen. Wer mehrere Sprachen
erlernt hat, kennt nicht nur diese Sprachen, sondern hat dadurch
auch die Fähigkeit gewonnen, mit zunehmender Leichtigkeit
weitere Sprachen zu lernen. Für dieses Lernen höherer Ordnung prägte Bateson den Begriff Deutero-Lernen und definierte ihn
wie folgt:
In einer halb gestaltorientierten oder halb anthropomorphen Lesart können wir sagen, dass die Versuchsperson sich gegenüber bestimmten Arten
von Kontexten zu orientieren lernt oder «Einsicht» in die Kontexte des
Problemlösens gewinnt ... Wir können sagen, dass die Versuchsperson
die Gewohnheit angenommen hat, nach ganz bestimmten Kontexten
oder Abläufen zu suchen, die Gewohnheit, den Strom der Ereignisse zu
«interpunktieren» und damit Wiederholungen von gewissen sinnvollen
Abläufen zu erzielen [7, S. 88].
Ein ähnlicher Begriff liegt Kellys monumentaler Psychology of
Personal Constructs [81] zugrunde, obwohl Kelly die Frage einer
hierarchischen Ordnung nicht in Betracht zieht und seine Theorie
fast ausschließlich in Begriffen intrapsychischer, nicht zwischenpersönlicher Psychologie darlegt. Miller, Galanter und Pribram
stellen in ihrem Buch Plans and the Structure of Behavior [102]
die These auf, dass zielstrebiges Verhalten von einem Plan geleitet
ist, wie ein Elektronenrechner von einem Programm. Dieser
Begriff des Plans ist überaus fruchtbar, und es kann ohne Übertreibung gesagt werden, dass das Buch einer der wichtigsten neueren Beiträge zum Verständnis von Verhalten darstellt. Im Zusammenhang damit ist eines [165] der unter Leitung von Professor
Bavelas an der Stanford-Universität durchgeführten sogenannten
non-contingent-reward-Experimente zu erwähnen, d. h. Experimente, in denen kein Zusammenhang zwischen der Leistung der
Versuchsperson und den vom Versuchsleiter gegebenen Verstärkungen besteht. Die Versuchsperson sitzt vor einem Schaltbrett
mit fünfzehn kreisförmig angeordneten Klingelknöpfen. Sie hat
diese Knöpfe in einer ganz bestimmten Reihenfolge zu drücken,
und es ist ihre Aufgabe, diese Reihenfolge rein empirisch, also
durch Versuch und Irrtum, herauszufinden. Erfolg wird ihr durch
einen Summerton angezeigt. So weit die Instruktionen. Tatsächlich aber ist das Schaltbrett nur eine Attrappe, und das Summersignal wird ganz unabhängig von
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