Menschliche Kommunikation
Mann ihr und sagte, dass sie alles wisse.
An der Tat», antwortete der Geist, «und ich weiß, dass du heute bei
jenem Zen-Meister warst.»
«Und da du so viel weißt», forderte der Mann, «sag mir, wie viele Bohnen
ich in meiner Hand halte.»
Da war kein Geist mehr, um diese Frage zu beantworten [125, S. 82].
8.1 Der existenzielle Nexus
In diesem Buch haben wir Individuen in ihrem gesellschaftlichen
Nexus - in ihren zwischenpersönlichen Beziehungen - betrachtet
und gesehen, dass das Medium dieser Beziehungen die Kommunikation ist. Ist damit die Anwendungsmöglichkeit einer Theorie
menschlicher Kommunikation erschöpft? Im engeren Sinn muss
diese Frage wohl bejaht werden; andererseits aber wehrt sich
unser Gefühl gegen diese Antwort. Wer den Menschen nur als
sozialen Organismus sieht, lässt seinen existenziellen Nexus unberücksichtigt, in dem seine zwischenpersönlichen Beziehungen
nur einen, wenn auch sehr wichtigen Aspekt darstellen.
Es ergibt sich damit die Frage, ob die Prinzipien, die wir
für die Pragmatik der menschlichen Kommunikation postuliert
haben, anwendbar bleiben, wenn unsere Untersuchungen sich
vom Zwischenpersönlichen aufs Existenzielle verlagern. Wir
werden diese Frage nicht beantworten können; vielleicht kann sie überhaupt nicht beantwortet werden, denn an diesem Punkt
angelangt, müssen wir die Objektivität der Wissenschaft verlassen und eingestandenermaßen subjektiv werden. Da der existenzielle Nexus eines Menschen nicht in demselben Sinn beobachtbar ist wie seine zwischenmenschlichen Beziehungen, sind
wir gezwungen, die objektive, «außenstehende» Position aufzugeben, die beizubehalten wir uns bisher mit wechselndem Erfolg
bemühten. An diesem Punkt unserer Untersuchungen gibt es
kein «Außen» mehr. Man kann nicht über die Grenzen seines
eigenen Denkens und Erlebens hinausgehen; letztlich sind Subjekt und Objekt also identisch, das Seelische untersucht sich
selbst, und jede Aussage über den Menschen in seinem existenziellen Nexus muss schließlich auf dieselben Phänomene der
Selbstrückbezüglichkeit stoßen, die, wie wir gesehen haben,
Paradoxien verursachen.
In einem gewissen Sinn ist dieser Epilog also ein Glaubensbekenntnis - ein Bekenntnis dazu, dass der Mensch in einer breiten,
vielfältigen und intimen Beziehung zum Leben steht. Was wir
nun untersuchen wollen, ist die Frage, ob wenigstens einige der
von uns entwickelten Begriffe zum Verständnis dieses Gebiets
beitragen können, das von rein psychologischen und soziologischen Theorien nur zu oft vernachlässigt wird.
8.2 Die Umwelt als Programm
In der modernen biologischen Forschung würde man es als
zwecklos, wenn nicht geradezu undenkbar betrachten, selbst
einen sehr primitiven Organismus in künstlicher Isolierung von
seiner Umwelt zu studieren. Im Sinne der allgemeinen Systemlehre sind Organismen offene Systeme, die ihre Stabilität dadurch
erhalten oder sich sogar auf höhere Komplexität hin entwickeln,
dass sie in dauerndem Austausch von Materie, Energie und Information mit ihrer Umwelt stehen (vgl. Abschnitt 4.2ff.). Ein
Organismus braucht für sein Überleben also nicht nur die für seinen Stoffwechsel benötigten Substanzen, sondern auch ausreichende Information über seine Umwelt. In diesem Sinn sind
Kommunikation und Existenz zwei untrennbare Begriffe. Die
Umwelt kann als eine große Anzahl von Instruktionen über die
Existenz des Organismus betrachtet werden, und in dieser Hinsicht sind Umwelteinflüsse dem Programm eines Elektronengehirns ähnlich. Ein wesentlicher Unterschied besteht allerdings
darin, dass das Programm in einer Sprache abgefasst ist, die die
Maschine vollkommen «versteht», während der Einfluss der
Umwelt auf einen Organismus sich aus Signalen zusammensetzt,
deren Bedeutung keineswegs eindeutig ist, sondern die vom
Organismus bestmöglich entschlüsselt werden müssen. Wenn wir
zu dieser selbstverständlichen Feststellung noch die Tatsache hinzufügen, dass die Reaktionen des Organismus ihrerseits die
Umwelt beeinflussen, so wird es klar, dass selbst auf sehr primitiven Lebensstufen dauernde und vielfältige Wechselwirkungen
stattfinden, die nicht wahllos, sondern durch eine Art Programm
bedingt sind.
So gesehen ist die Existenz eine Funktion (im Sinne von
Abschnitt 1.2) der Beziehung zwischen einem Organismus und
seiner Umwelt. Auf der menschlichen Ebene erreicht diese Beziehung ihre höchste Komplexität. Obwohl in modernen
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