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Menschliche Kommunikation

Menschliche Kommunikation

Titel: Menschliche Kommunikation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Watzlawick
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dass es Zündhölzer an verschiedenen Stellen des Hauses
zu verstecken pflegte, sodass die Mutter nie sicher sein konnte.
Jedes Mal, wenn die Mutter nach Hause kam, spielte sich mehr
oder weniger stereotyp folgende Interaktion ab: Zunächst fragte
die Mutter, ob das Kind wieder mit Zündhölzern gespielt habe.
Das Kind verneinte dies. Die Mutter «wusste» aber, dass das Kind
log, da es in ihrer Abwesenheit immer mit Feuer spielte. Als
Nächstes fragte die Mutter, ob das Kind wieder irgendwo Zündhölzer versteckt habe, worauf die Antwort wiederum stets «nein»
war. Die Mutter glaubte dies nicht, nannte das Kind eine Lügnerin und durchsuchte das Haus. Wenn diese Suche negativ verlief,
war die Mutter zutiefst beunruhigt und bestand in zunehmendem
Ärger darauf, dass das Kind endlich die Wahrheit sage und ihr das
neue Versteck verrate. Sobald dies der Fall war oder wenn die
Mutter die Zündhölzer selbst fand, beruhigte sie sich sehr rasch
und verzieh ihrer Tochter.
    Von der Beschreibung des Problems durch die Mutter wurde
es klar, dass diese das Finden der Zündhölzer sozusagen als symbolischen Akt brauchte, der ihr jedes Mal das Gefühl neu gewonnener Sicherheit gab, und dass die Tochter diesem Bedürfnis mit
ihrer «Unart» entgegenkam. Die Verschreibung des Symptoms
war in diesem Fall einfach, und die sofortige Wirkung schien die
Richtigkeit der eben erwähnten Annahme zu beweisen. Der Therapeut beauftragte die Mutter, ihrer Tochter ein Versteckspiel mit Zündhölzern vorzuschlagen. In Abwesenheit der Mutter sollte
das Kind jedes Mal irgendwo im Haus Zündhölzer verstecken,
und bei der Rückkehr der Mutter sollte die ganze Familie (die
Frau hatte noch zwei andere Kinder) sie suchen. Der Finder (der
natürlich meist die kleine Tochter war) sollte einen Geldpreis
erhalten. Diese Symptomverschreibung des Therapeuten zerstörte das Spiel ohne Ende. Was bisher ein gefährliches Verhalten
war, das strenge, aber dennoch erfolglose Überwachung zu erfordern schien, wurde damit zu einer Unterhaltung für alle Beteiligten, die sowohl die Kinder ihrer Mutter näher brachte als auch die
selbsterfüllende, aus der Unsicherheit der Mutter geborene Prophezeiung hinfällig machte.

    Beispiel 10: Dass die therapeutische Wirkung paradoxer Kornmunikationen keineswegs eine Entdeckung unserer Tage ist, geht
aus der folgende Zen-Geschichte hervor, die alle Merkmale einer
therapeutischen Doppelbindung enthält:
    Eine junge Frau erkrankte und lag im Sterben. «Ich liebe dich so sehr»,
sagte sie zu ihrem Mann. «Ich mag dich nicht verlassen. Geh nicht von
mir zu einer anderen. Wenn du es tust, werde ich als Geist zurückkommen und dir endlose Schwierigkeiten bereiten.»
    Bald danach starb sie. Der Mann achtete ihren letzten Wunsch drei
Monate lang; dann aber lernte er eine andere Frau kennen und verliebte
sich in sie. Sie verlobten sich.
    Sofort nach der Verlobung begann ein Geist dem Mann jede Nacht zu
erscheinen und ihn des Bruchs seines Versprechens zu beschuldigen. Es
war ein gewitzigter Geist, der dem Mann genau sagte, was sich zwischen
ihm und seinem neuen Schatz jeweils ergab. Wenn immer er seiner Verlobten ein Geschenk machte, beschrieb es der Geist in allen Einzelheiten.
Er wiederholte sogar ihre Gespräche, und dies störte den Mann so sehr,
dass er nicht mehr schlafen konnte. Jemand riet ihm, sein Problem einem
Zen-Meister vorzubringen, der in der Nähe des Dorfes lebte. An diesen
wandte sich der arme Mann schließlich in seiner Verzweiflung.
    «Eure erste Frau wurde zum Geist und weiß alles, was Ihr tut», erklärte
der Meister. «Was immer Ihr tut oder sagt, was immer Ihr Eurer Geliebten gebt, sie weiß es. Sie muss ein sehr weiser Geist sein. Fürwahr, Ihr
solltet solch einen Geist bewundern. Wenn sie das nächste Mal
erscheint, macht einen Handel mit ihr aus. Sagt ihr, dass sie so viel weiß,
dass Ihr nichts vor ihr verbergen könnt, und dass Ihr Eure Verlobung brechen und ledig bleiben werdet, wenn sie Euch eine Frage beantworten kann.»

    «Was ist das für eine Frage, die ich ihr stellen muss?», fragte der Mann.
    Der Meister erwiderte: «Nehmt eine gute Handvoll Sojabohnen und
fragt sie nach der genauen Zahl der Bohnen, die Ihr in Eurer Hand haltet.
Wenn sie es Euch nicht sagen kann, so werdet Ihr wissen, dass sie nur eine
Ausgeburt Eurer Fantasie ist, und sie wird Euch nicht länger stören.»
Als der Geist der Frau in der nächsten Nacht erschien, schmeichelte der

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