Menschliche Kommunikation
während «kranke» (d. h. konfliktreiche) Beziehungen u. a.
durch wechselseitiges Ringen um ihre Definition gekennzeichnet
sind, wobei der Inhaltsaspekt fast völlig an Bedeutung verliert.
2.32 Lange bevor Verhaltenswissenschaftler diese Aspekte der
menschlichen Kommunikation zu untersuchen begannen, waren
die Konstrukteure von Elektronenrechnern bereits demselben
Problem begegnet. Will man nämlich mit einem solchen künstlichen Organismus kommunizieren, so müssen die Mitteilungen
sowohl Daten als auch Instruktionen enthalten. Wenn z.B. zwei
Zahlen multipliziert werden sollen, so braucht der Computer
eine Eingabe, die sowohl die beiden Zahlen enthält (also die
Daten) als auch Information über diese Information, nämlich die
Instruktion «multiplizieren».
Die logische Relation zwischen diesen beiden Arten von Information ist für unsere Betrachtungen von Wichtigkeit. Im Sinne der
logischen Typenlehre gehört Information über Information einem
höheren logischen Typus an als die Daten. Es handelt sich dabei
um Metainformation, und jede Vermischung dieser Art von Information mit den Daten würde sinnlose Resultate ergeben.
2.33 In der menschlichen Kommunikation besteht dieselbe Relation zwischen Inhalts- und Beziehungsaspekt: Der Inhaltsaspekt
vermittelt die «Daten», der Beziehungsaspekt weist an, wie diese
Daten aufzufassen sind.
Da der Beziehungsaspekt eine Kommunikation über eine
Kommunikation darstellt, ist unschwer zu erkennen, dass er mit dem im 1. Kapitel definierten Begriff der Metakommunikation
identisch ist. Dort wurde dieser Ausdruck für den Begriffsrahmen unserer Untersuchung und für die Sprache verwendet, die
der Kommunikationsforscher gebrauchen muss, wenn er mit
anderen über Kommunikation kommunizieren will. Nun sehen
wir, dass nicht nur er, sondern grundsätzlich jedermann Metakommunikationen verwenden muss. Die Fähigkeit zur Metakommunikation ist nicht nur eine Conditio sine qua non aller
erfolgreichen Kommunikation, sie ist überdies für jeden Menschen eng mit dem enormen Problem hinlänglichen Bewusstseins
seiner selbst und der anderen verknüpft. Dieser Punkt soll in
Abschnitt 3.3 näher behandelt werden; hier wollen wir zur Illustration des eben Gesagten nur darauf verweisen, dass sprachliche
Mitteilungen geformt werden können, denen eine eindeutige
metakommunikative Verstehensanweisung fehlt. Wie Cherry [32,
S. 169] gezeigt hat, kann der Satz «Glauben Sie, dass das genügt?»
fünf verschiedene Bedeutungen haben, je nachdem welches Wort
betont wird - eine Verstehensanweisung, die in der geschriebenen
Sprache meist fehlt. Mehrdeutige Verstehensanweisungen sind
aber nicht die einzigen Komplikationen, die ihren Grund in der
hierarchischen Struktur der Kommunikationen haben. Ein Schild
mit der Aufschrift «Bitte, dieses Schild nicht beachten!» und die
im 6. Kapitel behandelten Kommunikationsformen beruhen auf
einer Vermengung von Kommunikation und Metakommunikation und führen damit zu Beziehungsproblemen, die ihrer Struktur nach den bekannten Paradoxien der Logik gleichen.
2.34 Vorläufig wollen wir das oben Gesagte zu einem weiteren Axiom unseres hypothetischen Kalküls zusammenfassen: Jede Kommunikation hat einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt, derart, dass letzterer den ersteren bestimmt und daher eine Metakommunikation ist.4
2.4 Die Interpunktion von Ereignisfolgen
2.41 Als nächste grundlegende Eigenschaft der Kommunikation
wollen wir Interaktionen untersuchen, also die Phänomene des
Mitteilungsaustausches zwischen Kommunikationsteilnehmern.
Dem unvoreingenommenen Beobachter erscheint eine Folge von
Kommunikationen als ein ununterbrochener Austausch von Mitteilungen. Jeder Teilnehmer an dieser Interaktion muss ihr jedoch
unvermeidlich eine Struktur zugrunde legen, die Bateson und
Jackson in Analogie zu Whorf [160] die «Interpunktion von
Ereignisfolgen» genannt haben. Sie führen aus:
Der Reiz-Reaktions-Psychologe beschränkt seine Aufmerksamkeit
gewöhnlich auf wechselseitige Verhaltensketten, die so kurz sind, dass er
ein Ereignis als Reiz, ein anderes als Verstärkung und das, was das Versuchstier zwischen diesen beiden Ereignissen tut, als Reaktion bezeichnen kann. Innerhalb dieses eng begrenzten Ablaufs ist es möglich, von
der «Psychologie» des Versuchstiers zu sprechen. Im Gegensatz dazu
sind die Abläufe, mit denen wir es zu tun haben, viel länger und unterscheiden sich durch die Tatsache, dass in ihnen
Weitere Kostenlose Bücher