Menschliche Kommunikation
jedes Ereignis gleichzeitig
Reiz, Reaktion und Verstärkung ist. Ein bestimmtes Verhalten von A ist
insofern ein Reiz, als ihm ein bestimmtes Verhalten von B folgt und diesem wiederum ein bestimmtes Verhalten von A. Doch As Verhalten ist
insofern auch eine Reaktion, als es zwischen zwei Verhaltensformen von
B eingebettet ist. Ähnlich ist das Verhalten von A außerdem auch eine
Verstärkung, da es auf ein Verhalten von B folgt. Die hier vorliegende
Interaktion ist also eine Kette von triadischen Gliedern, von denen jedes
einzelne eine Folge von Reiz, Reaktion und Verstärkung ist. Wir können
jede beliebige Trias dieser Kette für sich als ein einzelnes Reiz-ReaktionsLernexperiment ansehen.
Wenn wir die üblichen Lernexperimente in dieser Sicht betrachten, so
bemerken wir sofort, dass ihre Wiederholungen zu einer Differenzierung
der Beziehung zwischen den beiden daran teilnehmenden Organismen führen - dem Versuchsleiter und seinem Subjekt. Der Versuchsablauf
wird so interpunktiert, dass es immer der Versuchsleiter zu sein scheint,
der den «Reiz» und die «Verstärkung» liefert, während die «Reaktionen»
vom Versuchstier kommen. Diese Worte sind hier absichtlich in Anführungszeichen gesetzt, da die Definition der Rollen in Wirklichkeit nur
durch die Bereitwilligkeit der Teilnehmer entsteht, diese Interpunktionsform anzunehmen. Die «Wirklichkeit» der Rollendefinitionen hat
denselben Wirklichkeitsgrad wie eine Fledermaus auf einer Rorschachtafel - ein mehr oder weniger überdeterminiertes Resultat des Wahrnehmungsprozesses. Die Versuchsratte, die sagte: Ach habe meinen Versuchsleiter so abgerichtet, dass er jedes Mal, wenn ich den Hebel drücke,
mir zu fressen gibt», weigerte sich, die Interpunktion anzunehmen, die
der Versuchsleiter ihr aufzuzwingen versuchte.
Dennoch trifft es zu, dass in langen Verhaltensketten die daran beteiligten Organismen - besonders, wenn es sich um Personen handelt - den
Ablauf so zu interpunktieren pflegen, dass es tatsächlich aussieht, als
habe der eine oder der andere die Initiative, als sei er dominant, abhängig
oder dergleichen. Mit anderen Worten, sie stellen zwischen sich Beziehungsstrukturen her (über die sie Übereinstimmung erreichen oder auch
nicht), und diese Strukturen sind praktisch Regeln für wechselseitige
Verhaltensverstärkungen. Während Ratten zu nett sind, um Regeln auf
den Kopf zu stellen, sind es manche psychiatrischen Patienten nicht und
traumatisieren so den Therapeuten [19, S. 273f.].
Ob die Interpunktion gut oder schlecht ist, steht hier nicht zur
Debatte, da es ohne weiteres klar sein sollte, dass sie Verhalten
organisiert und daher ein wesentlicher Bestandteil jeder menschlichen Beziehung ist. So bringt z.B. die Zugehörigkeit zu einer
bestimmten Kultur auch ganz bestimmte, ihr eigene Interpunktionsweisen mit sich, die zur Regulierung dessen dienen, was - aus
welchen Gründen auch immer - als «richtiges» Verhalten betrachtet wird. (Die im 1. Kapitel erwähnte Diskrepanz im Paarungsverhalten der Engländer und Amerikaner bietet hierfür ein Beispiel.) Nimmt man diese Überlegungen in einem noch weiteren
Sinn, so wird die Relativität aller Rollen offensichtlich; so werden
bestimmte Verhaltensweisen einem sogenannten «Führertypus»
zugeschrieben, gewisse andere dagegen dem Typus der «Geführten», obwohl es bei einigem Nachdenken schwer sein dürfte, zu entscheiden, was hier zuerst kommt und was aus dem einen
«Typus» ohne dem anderen würde.
2.42 Diskrepanzen auf dem Gebiet der Interpunktion sind die
Wurzel vieler Beziehungskonflikte. Ein oft zu beobachtendes
Eheproblem besteht z. B. darin, dass der Mann eine im Wesentlichen passiv-zurückgezogene Haltung an den Tag legt, während
seine Frau zu übertriebenem Nörgeln neigt. Im gemeinsamen
Interview beschreibt der Mann seine Haltung typischerweise als
einzig mögliche Verteidigung gegen ihr Nörgeln, während dies
für sie eine krasse und absichtliche Entstellung dessen ist, was in
ihrer Ehe «wirklich» vorgeht: dass nämlich der einzige Grund
für ihre Kritik seine Absonderung von ihr ist. Im Wesentlichen
erweisen sich ihre Streitereien als monotones Hin und Her der
gegenseitigen Vorwürfe und Selbstverteidigungen: «Ich meide
dich, weil du nörgelst» und «Ich nörgle, weil du mich meidest».
Diese Form der Interaktion wurde in Abschnitt 1.65 kurz
erwähnt. Grafisch dargestellt, wobei der Anfangspunkt (den eine
wirkliche Beziehung aufgrund
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