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Menschliche Kommunikation

Menschliche Kommunikation

Titel: Menschliche Kommunikation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Watzlawick
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dem ihre Mitglieder einander bestätigen ...
    Die Grundlage menschlichen Zusammenlebens ist eine zweifache und doch eine einzige - der Wunsch jedes Menschen, von den anderen als das bestätigt zu werden, was er ist, oder sogar als das, was er werden kann; und die angeborene Fähigkeit des Menschen, seine Mitmenschen in dieser Weise zu bestätigen. Dass diese Fähigkeit so weitgehend brachliegt, macht die wahre Schwäche und Fragwürdigkeit der menschlichen Rasse aus: Wirkliche Menschlichkeit besteht nur dort, wo sich diese Fähigkeit entfaltet [29, S. 101 f.].
    3.332 Verwerfung. Die zweite mögliche Reaktion von B auf As Selbstdefinition ist, diese zu verwerfen. Verwerfung jedoch, wie schmerzhaft sie auch sein mag, setzt zumindest eine begrenzte Anerkennung dessen voraus, was verworfen wird, und negiert daher nicht notwendigerweise die Wirklichkeit des Bildes, das A von sich hat. Gewisse Formen der Verwerfung können sogar heilsam sein, wie etwa, wenn der Psychotherapeut sich weigert, die Selbstdefinition des Patienten in der Übertragungssituation anzunehmen, wenn der Patient typischerweise versucht, ihm sein «Beziehungsspiel» aufzuzwingen.'
    3.333 Entwertung (disconfirmation). Die dritte Möglichkeit dürfte sowohl vom pragmatischen als auch vom psychopathologischen Standpunkt aus die wichtigste sein. Es ist das Phänomen der Entwertung der Selbstdefinition des anderen, die sich wesentlich von der Verwerfung unterscheidet. Zusätzlich zu unseren eigenen Untersuchungen berufen wir uns hierbei auf die Arbeiten Laings [86] am Tavistock-Institut für Menschliche Beziehungen in London. Laing zitiert William James, der einmal bemerkte: «Eine unmenschlichere Strafe könnte nicht erfunden werden, als dass man - wenn dies möglich wäre - in der Gesellschaft losgelassen und von allen ihren Mitgliedern völlig unbeachtet bleiben würde» [86, S. 89]. Es ist wohl kaum zu bezweifeln, dass eine derartige Situation zum «Selbstverlust» führen würde. Die Entwertung, wie wir sie bei pathologischer Kommunikation finden, hat nichts mehr mit der Wahrheit oder Falschheit - sofern diese Begriffe hier überhaupt anwendbar sind - von As Selbstdefinition zu tun; sie negiert vielmehr die menschliche Wirklichkeit von A als dem Autor dieser Definition. Mit anderen Worten, während eine Verwerfung letztlich auf die Mitteilung «Du hast in deiner Ansicht über dich unrecht» hinausläuft, sagt die Entwertung de facto: «Du existierst nicht.» Oder um dies noch schärfer auszudrücken: Während die Bestätigung und Verwerfung der Selbstdefinition des anderen in der formalen Logik den Begriffen von Wahrheit und Falschheit entsprechen, entspricht die Entwertung dem Begriff der Unentscheidbarkeit.9

    Laing bemerkt hierzu:
    Die charakteristische Familiensituation, die sich aus unseren Untersuchungen der Familien von Schizophrenen ergab, betrifft nicht so sehr ein
Kind, das direkter Vernachlässigung oder sogar offensichtlichem Trauma
ausgesetzt ist, sondern ein Kind, dessen Authentizität subtiler, aber fortgesetzter und oft ungewollter Verstümmelung unterworfen wurde [86,
S. 91].
    Im Extremfall werden dann - gleichgültig, wie jemand fühlt oder handelt, gleichgültig, welche Deutung er seiner Situation gibt - seine Gefühle
ihrer Gültigkeit, seine Handlungen ihrer Motive, Absichten und Folgen
entkleidet und die Situation ihrer Bedeutung für ihn beraubt, sodass er
völlig mystifiziert und entfremdet ist [86, S. 135 f.].
    Und nun ein diesbezügliches Beispiel, über das an anderer Stelle
ausführlicher referiert wurde [74]. Es handelt sich um eine Teilaufzeichnung einer Familientherapiesitzung, an der die Eltern,
ihr 25-jähriger Sohn David (der während des Militärdienstes -
David war damals zwanzig Jahre alt - zum ersten Mal als schizophren diagnostiziert worden war und dann daheim gelebt hatte, bis er ungefähr ein Jahr vor diesem Interview mit einem neuerlichen Schub eingewiesen werden musste) und ihr 18-jähriger Sohn
Karl teilnahmen. Als die Besprechung auf die Spannung kam, die
Davids Wochenendbesuche hervorriefen, wies der Psychiater
darauf hin, dass es den Anschein habe, als werde David die unerträgliche Bürde der Besorgnis aller anderen Familienmitglieder
aufgeladen und er so voll verantwortlich dafür gemacht, ob diese
Wochenende gut oder schlecht verliefen. Der Patient ging sofort
auf dieses Thema ein:

    David: Ich habe den Eindruck, dass meine Eltern und auch Karl sich
manchmal sehr von meiner Stimmung

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