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Menschliche Kommunikation

Menschliche Kommunikation

Titel: Menschliche Kommunikation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Watzlawick
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Patientin durch ihre Eltern
und ihrer Selbstdefinition, die für diese Familien typisch ist.

    3.4 Die Interpunktion von Ereignisfolgen
    Er lachte, da er glaubte, sie träfen ihn nicht - es war ihm noch nicht klar
geworden, dass sie sich übten, ihn nicht zu treffen.

    3.41 Im letzten Kapitel wurden bereits einige Beispiele für die
Komplikationen gegeben, die mit dem Phänomen der Interpunktion zusammenhängen können. Sie zeigen, dass widersprüchliche
Interpunktionen von Ereignisabläufen unter Umständen zu Konflikten führen, die schließlich die gegenseitigen Anklagen von
Böswilligkeit oder Verrücktheit als scheinbar einzige Erklärung
zulassen. Diese Konflikte treten vor allem dann auf, wenn die
Partner innerhalb einer Beziehung annehmen, dass der andere
(oder die anderen) im Besitz derselben Information ist, wie man
selbst oder dass er dieselben Schlussfolgerungen aus dieser Information ziehen müsse. Ein einfaches Beispiel eines solchen Ablaufs
ist das folgende: A schreibt B einen Brief, in dem er ein gemeinsames Unternehmen vorschlägt und B zur Teilnahme einlädt. B sagt zu, doch sein Brief geht bei der Zustellung verloren. Nach einiger
Zeit des Wartens kommt A zu dem Schluss, dass B seine Einladung ignoriert, und beschließt, B nun seinerseits zu ignorieren. B
dagegen fühlt sich gekränkt, dass A seine Zusage ignoriert, und
beschließt, mit A keine Verbindung mehr aufzunehmen. Von diesem Punkt an wird ihr stillschweigender Zwist so lange andauern,
bis sie nachforschen, was aus ihren beiden Briefen wurde, d. h, bis
sie über ihre Mitteilungen zu metakommunizieren beginnen. Nur
so werden sie feststellen können, dass A nichts von B's Antwort
wusste, während B nicht wusste, dass seine Antwort A nicht
erreicht hatte.

    3.42 Man schätzt, dass der Mensch pro Sekunde 10000 exterozeptive und propriozeptive Sinneswahrnehmungen aufnimmt.
Dies erfordert eine drastische Auswahl jener Wahrnehmungen,
die den höheren Hirnzentren zugeleitet werden, da diese sonst
mit unwesentlicher Information überschwemmt und von ihr blockiert würden. Die Entscheidung jedoch, was wesentlich und was
unwesentlich ist, ist offensichtlich von Mensch zu Mensch sehr
verschieden und scheint von Kriterien abzuhängen, die weitgehend außerbewusst sind. Aller Wahrscheinlichkeit nach ist das,
was wir subjektiv als Wirklichkeit empfinden, das Resultat unserer Interpunktionen; oder um mit Hamlet zu sprechen: «... an
sich ist nichts weder gut noch schlecht, das Denken macht es erst
dazu.» Wir können nur vermuten, dass Interpunktionskonflikte
mit der tief im Innern verwurzelten und meist unerschütterlichen
Überzeugung zu tun haben, dass es nur eine Wirklichkeit gibt,
nämlich die Welt, wie ich sie sehe, und dass jede Wirklichkeitsauffassung, die von der meinen abweicht, ein Beweis für die Irrationalität des Betreffenden oder seine böswillige Verdrehung der
Tatsachen sein muss.
    So viel über unsere Vermutungen. Was wir in allen diesen Fällen von gestörter Kommunikation beobachten können, ist, dass
ihnen Circuli vitiosi zugrunde liegen, die nicht gebrochen werden
können, solange die Kommunikationen der Partner nicht selbst zum Thema ihrer Kommunikation werden, d. h., solange sie nicht metakommunizieren."

    3.43 Ursache und Wirkung. Es ist nicht schwer, Beispiele für
Interpunktionskonflikte in den verschiedensten Bereichen
menschlichen Zusammenlebens zu finden. Ihnen allen gemeinsam sind die widersprüchlichen Annahmen der Partner hinsichtlich dessen, was Ursache und was Wirkung des Konflikts ist. Von
außen gesehen, ist weder der eine noch der andere Standpunkt
stichhaltig, da die Interaktion der Partner nicht linear, sondern
kreisförmig ist. In dieser Beziehungsform ist kein Verhalten
Ursache des anderen; jedes Verhalten ist vielmehr sowohl Ursache als auch Wirkung. Wie Joads Beispiel (Abschnitt 2.42) zeigte,
rüstet Nation A auf, weil sie sich von Nation B bedroht fühlt
(d. h. also, dass A ihr Verhalten als Folge von B's Verhalten sieht),
während Nation B die Aufrüstung von Nation A als Ursache
ihrer «Verteidigungsmaßnahmen» betrachtet. Joad veröffentlichte seine Gedanken über den Krieg vor etwa dreißig Jahren.
Wie wenig sich inzwischen geändert hat, beweist der nachstehende Auszug aus einem kürzlich veröffentlichten Artikel von
Generalmajor Nikolai A. Talensky, Mitglied des sowjetischen
Generalstabs, zur Frage der Entwicklung von Raketen-Abwehrraketen, in dem dasselbe

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