Menschliche Kommunikation
janusgesichtig:
Nach unter hin agieren sie als Ganzheiten, nach oben hin als Teile [85,
S. 316].
Mithilfe dieses Gedankenmodells lassen sich Systeme dyadischer
Wechselbeziehungen in die Familie, das Gemeinwesen und
schließlich die Kultur einbauen. Außerdem wird es theoretisch
möglich, Überschneidungen von Teilsystemen zu berücksichtigen, da jedes Mitglied einer bestimmten Dyas gleichzeitig auch
dyadische Teilsysteme mit anderen Personen unterhalten kann.
Kurz, kommunizierende Individuen stehen sowohl in horizontalen als auch in vertikalen Beziehungen zu anderen Personen und
andern Teilsystemen.
4.3 Eigenschaften offener Systeme
Wir haben damit unsere Darlegungen von der breitesten Definition allgemeiner Systeme auf die von offenen Systemen verlagert.
Als Nächstes sollen einige der formalen makroskopischen Eigenschaften offener Systeme definiert werden, die Einfluss auf Interaktionen haben.
4.31 Ganzheit. Jeder Teil eines Systems ist mit den anderen Teilen
so verbunden, dass eine Änderung in einem Teil eine Änderung in
allen Teilen und damit dem ganzen System verursacht. Das heißt,
ein System verhält sich nicht wie eine einfache Zusammensetzung
voneinander unabhängiger Elemente, sondern als ein zusammenhängendes, untrennbares Ganzes. Dies wird vielleicht am deutlichsten, wenn man den Begriff der Ganzheit mit seinem Gegenteil, dem Begriff der Summation, vergleicht. Wenn Änderungen
in einem Teil eines Systems die anderen Teile oder das ganze System nicht beeinflussen, so sind diese Teile voneinander unabhängig und stellen, in der Sprache der Systemtheorie ausgedrückt,
einen ungeordneten «Haufen» dar, der nicht mehr ist als die
Summe seiner Teile. Summation ist demnach die Antithese von
Ganzheit, und man kann sagen, dass sich Systeme immer durch
einen relativen Grad von Ganzheit auszeichnen.
Die mechanistischen Theorien des 19. Jahrhunderts waren
vorwiegend analytisch und summativ. «Die mechanistische Weltanschauung fand ihren Idealausdruck in der Laplace'schen Auffassung, dass alle Geschehnisse sich letzthin aus dem zufälligen
Zusammenwirken physikalischer Elementarteile ergeben» [24,
S. 165]. Ashby zieht in diesem Zusammenhang aufschlussreiche
historische Vergleiche:
Die Wissenschaft steht heute an einer Art Scheideweg. Zwei Jahrhunderte lang hat sie Systeme untersucht, die entweder wirklich einfach
sind oder zu ihrer Analyse in einfache Bestandteile zerlegt werden können. Die Tatsache, dass ein Dogma wie «Man verändere jeweils nur
einen Faktor» ein Jahrhundert lang anerkannt wurde, beweist, dass die Wissenschaftler hauptsächlich mit der Untersuchung solcher Systeme
beschäftigt waren, die dieser Methode zugänglich sind; denn für komplexe Systeme ist sie oft grundsätzlich unbrauchbar. Erst seit Sir Ronald
Fisher in den Zwanzigerjahren seine Experimente mit bebautem Ackerland durchgeführt hat, ist es klar, dass es komplexe Systeme gibt, die die
Änderung von jeweils nur einem Faktor einfach nicht zulassen - sie sind
so dynamisch und so reich an inneren Verknüpfungen, dass die Änderung eines Faktors sofort zur Ursache der Änderung anderer, vielleicht
vieler anderer Faktoren wird. Bis vor kurzem vermied es die Wissenschaft, solche Systeme zu studieren, und konzentrierte ihre Aufmerksamkeit auf jene, die einfach und vor allem reduzierbar sind.
Bei der Untersuchung gewisser Systeme konnte deren Komplexität aber
nicht völlig umgangen werden. Die Hirnrinde des frei lebenden Organismus, der Ameisenhaufen als geordnete Gesellschaft und menschliche
Wirtschaftssysteme unterscheiden sich sowohl in ihrer praktischen
Bedeutung als auch dadurch, dass die herkömmlichen Methoden auf sie
nicht anwendbar sind. So finden wir heute nichtbehandelte Psychosen,
zerfallende Sozietäten und zerrüttete Wirtschaftssysteme, während die
Wissenschaftler kaum mehr tun können, als sich Rechenschaft über die
Komplexität der von ihnen studierten Phänomene abzulegen. Doch die
Wissenschaft unternimmt heute auch die ersten Schritte zum Studium
von «Komplexität» als Gegenstand für sich [5, S. 5].
4.311 Übersummation ist eine Eigenschaft, die sich aus dem
Begriff der Ganzheit ergibt und eine negative Definition eines
Systems ermöglicht: Ein System ist nicht einfach die Summe seiner Bestandteile; jeder Versuch einer Analyse künstlich isolierter
Segmente würde das System als Gegenstand der Untersuchung
zerstören. Es ist vielmehr notwendig, die Eigenschaften
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