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Menschliche Kommunikation

Menschliche Kommunikation

Titel: Menschliche Kommunikation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Watzlawick
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mehrfach
anhand von Beispielen dargestellt wurden, sind das gegebene
Modell für eine Theorie von Interaktionssystemen, wobei die
spezifische Natur der Rückkopplungsphänomene von viel größerem Interesse ist als die Frage nach dem Ursprung oder dem Ziel
der Interaktion.

    4.33 Äquifinalität. In kreisförmigen, selbstregulierenden Systemen sind «Ergebnisse» (im Sinne von Zustandsänderungen) nicht so sehr durch die Anfangszustände als durch die Natur des Prozesses determiniert. Das in diesem Zusammenhang wichtige Prinzip der Äquifinalität bezieht sich auf die Tatsache, dass verschiedene Anfangszustände zu gleichen Endzuständen führen können, weil Abläufe vorwiegend durch das Wesen ihrer Organisation bedingt werden. Von Bertalanffy führt dazu aus:
    Die Stabilität offener Systeme ist durch das Prinzip der Äquifinalität gekennzeichnet; d. h., im Gegensatz zum Gleichgewicht in geschlossenen Systemen, die durch ihre Anfangszustände determiniert sind, können offene Systeme einen von Zeit und Ausgangszuständen unabhängigen Zustand einnehmen, der nur durch die Parameter des Systems bedingt ist [26, S. 7].
    Wenn aber das äquifinale Verhalten offener Systeme auf ihrer Unabhängigkeit von den Ausgangszuständen beruht, so folgt daraus, dass nicht nur verschiedene ursprüngliche Gegebenheiten denselben Endzustand haben, sondern auch verschiedene Ergebnisse auf dieselben Ausgangsbedingungen folgen können. Wenn wir also untersuchen, wie sich Menschen gegenseitig beeinflussen, müssen wir der Entstehung und den Ergebnissen der Beziehung viel weniger Bedeutung beimessen als ihrer Organisation.4

    Dieser Sachverhalt lässt sich z.B. am Wandel der Auffassungen über die psychogene Natur der Schizophrenie nachweisen. Die Annahme eines einschneidenden Kindheitstraumas wurde langsam von dem Postulat eines einseitigen, vom Wesen der «schizophrenogenen» Mutter verursachten Beziehungstraumas verdrängt. Wie Jackson feststellt, war dies aber nur die erste Phase einer weiteren Begriffsrevolution:
    Historisch gesehen verschob sich zunächst die ätiologische Bedeutung des psychogenen Traumas von Freuds ursprünglichen Annahmen vereinzelter traumatischer Ereignisse zum Begriff des wiederholten Traumas. Der nächste Schritt ist nicht mehr die Frage, wer was wem antut, sondern wie wer was tut. Die nächste Phase wird vielleicht das Studium der Schizophrenie (oder der Gruppe der Schizophrenien) als Familienkrankheit sein, in der ein komplizierter Kreislauf zwischen Wirt, Träger und Empfänger mitspielt, der viel mehr enthält, als sich durch den Begriff der « schizophrenogenen Mutter» ausdrücken lässt [64, S. 184].5

    Was sich über die Ursprünge (die Ätiologie) sagen ließ, lässt sich auch auf die klinischen Bilder (die Nosologie) anwenden. So kann man z. B. die klinische Bezeichnung «Schizophrenie» auf zwei verschiedene Weisen verstehen: als Name eines feststehenden Krankheitsbildes oder als Form einer Interaktion. In den Abschnitten 1.65 und 1.66 wurde bereits auf die Notwendigkeit verwiesen, das traditionell als schizophren bezeichnete Verhalten nicht zu reifizieren, sondern es in seinem zwischenmenschlichen Kontext - also der Familie, der Anstalt usw. - zu studieren, in dem dieses Verhalten weder einfach die Ursache noch die Wirkung jener meist bizarren Umweltbedingungen ist, sondern vielmehr ein untrennbarer Teil des pathologischen Systems.
    All dies hat eine wesentliche Bedeutung für die Erklärbarkeit des Systems. Der Endzustand eines geschlossenen Systems ist durch seine Anfangszustände vollkommen determiniert, und diese Zustände gelten daher mit Recht als die beste Erklärung des Systems. In äquifinalen, offenen Systemen dagegen können die strukturellen Gegebenheiten der Systemorganisation unter Umständen sogar den Extremfall völliger Unabhängigkeit von den Anfangszuständen herbeiführen: Das System ist dann seine eigene beste Erklärung und die Untersuchung seiner gegenwärtigen Organisation die zutreffendste Methodik.'
    4.4 Zwischenmenschliche Systeme
    Wir sind nun in der Lage, uns näher mit Systemen zu befassen, die sich durch Stabilität auszeichnen. Um nochmals Hall und Fagen zu zitieren: «Ein System ist stabil in Bezug auf gewisse seiner Variablen, wenn diese die Tendenz haben, innerhalb gewisser feststehender Grenzen zu bleiben» [58, S. 23].

    4.41 Wendet man diese Definition auf menschliche Beziehungen an, so wird unsere Aufmerksamkeit dadurch notwendigerweise auf Beziehungen

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