Menschliche Kommunikation
den europäischen und asiatischen Kulturen. Sansom schreibt:
Bei seiner Ableugnung des christlichen Glaubens musste jeder Abtrünnige die Gründe dafür in einer vorgeschriebenen Formel wiederholen ...
Diese Formel ist ein unfreiwilliger Tribut an die Macht des christlichen
Glaubens, denn nachdem die Abtrünnigen ihrer Religion (meist unter
Zwang) abgeschworen hatten, wurden sie mit einer kuriosen Logik zu
einem Eid bei den Mächten gezwungen, die sie gerade verleugnet hatten:
Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes, der heiligen
Maria und aller Engel ... und wenn ich diesen Eid breche, so möge ich die
Gnade Gottes auf ewig verlieren und in den elenden Zustand Judas Iskariots stürzen.» In einer noch weiteren Abkehr von der Logik folgte darauf
ein Eid auf buddhistische und schintoistische Gottheiten [127, S. 176].
Es ist der Mühe wert, die Folgen dieser Paradoxie zu analysieren.
Die Japaner hatten es sich zur Aufgabe gemacht, den Glauben
einer ganzen Gruppe von Menschen zu ändern - ein bekanntlich
schwieriges Unternehmen, da jeder Glaube sowohl mächtig als
auch unantastbar ist. Von Anfang an muss es ihnen klar gewesen
sein, dass die üblichen Methoden der Überredung, des Zwangs
oder der Bestechung wirkungslos bleiben würden. Denn diese
Methoden können zwar Lippendienst erzwingen, aber niemals
den Zweifel klären, ob die Seelen der Apostaten «wirklich» geändert wurden. Und dieser Zweifel würde selbst durch die überschwänglichsten Beteuerungen nicht beschwichtigt werden, da sowohl die aufrichtig Bekehrten als auch jene, die ihr Leben retten und gleichzeitig ihren Glauben bewahren wollen, sich gleich
verhalten würden.
Vor die schwierige Aufgabe gestellt, eine wirkliche Sinnesänderung herbeizuführen, entschied sich die japanische Obrigkeit also für den Schwur, wobei es ihr offensichtlich klar war, dass dieser nur dann bindend sein konnte, wenn er bei den christlichen und nicht nur bei den schintoistischen und buddhistischen Göttern geleistet wurde. Doch diese «Lösung» führte sie geradewegs in die Unentscheidbarkeit selbstrückbezüglicher Aussagen. Die vorgeschriebene Eidesformel sollte nämlich ihre bindende Gewalt aus der Anrufung gerade jener Gottheit erhalten, der durch den Eid abgeschworen wurde. Mit anderen Worten, es handelte sich um eine Aussage innerhalb eines klar umrissenen Bezugsrahmens (der christlichen Glaubenslehre), die etwas über diesen Bezugsrahmen und daher über sich selbst aussagte, nämlich den Rahmen und damit den Schwur selbst negierte. Die beiden Worte innerhalb und über verdienen hier besondere Beachtung. Angenommen, C sei die Gesamtheit aller Aussagen, die innerhalb des Rahmens der christlichen Glaubenslehre gemacht werden können.
Eine Aussage über C ist dann eine Meta-Aussage, also eine Aussage in der Metasprache über eine Aussage in der Objektsprache. Damit erweist sich, dass der Schwur sowohl ein Element von C ist, da er die Dreifaltigkeit anruft, gleichzeitig aber auch eine Meta-Aussage, die C verneint. Dies aber führt in die inzwischen wohl bekannte logische Sackgasse. Keine Aussage, die innerhalb eines Bezugssystems gemacht wird, kann gleichzeitig sozusagen aus diesem System heraustreten und sich selbst negieren. Das erinnert sowohl an die Paradoxie des Lügners als auch an das Dilemma des Träumenden mit seinem Alptraum: Was immer er innerhalb des Traums unternehmen mag, ist zwecklos.' Er kann seinem Alptraum nur durch Aufwachen entgehen, d.h.
durch Verlassen des Traums. Denn Erwachen ist nicht mehr ein
Teil des Traums, es ist ein völlig anderer Bewusstseinszustand, es
ist sozusagen Nichttraum. Theoretisch könnte der Alptraum
endlos andauern, wie das manche schizophrene Alpträume offensichtlich tun, denn nichts innerhalb eines bestimmten Rahmens
hat die Macht, den Rahmen selbst zu verneinen. Gerade aber dies
war es, was - mutatis mutandis - der Schwur erreichen sollte.
Unseres Wissens bestehen keine geschichtlichen Belege über
die Wirkung des Schwurs auf die Bekehrten oder auf die ihn abnehmenden Behörden, aber es ist nicht schwierig, darüber zu spekulieren. Das Dilemma derjenigen, die den Eid leisteten, ist ziemlich klar. Indem sie dem Christentum abschwörten, verblieben sie innerhalb des Rahmens der paradoxen Eidesformel und waren
damit in der Paradoxie gefangen. Freilich müssen ihre Chancen,
sich aus der Schlinge zu ziehen, sehr gering gewesen sein. Sobald
sie den Schwur geleistet hatten, fanden
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