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Menu d'amour

Menu d'amour

Titel: Menu d'amour Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Barreau
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wie immer«, log ich und jauchzte innerlich auf. Es wirkte! Es wirkte tatsächlich! »Komm nimm noch ein bisschen von dem Ragout. Es ist genug da.«
    »Nein, nein«, sie kaute genussvoll auf einem Stück Fleisch und sah mich kopfschüttelnd an. »Du bist irgendwie so aufgekratzt. So ausgelassen … als ob etwas ganz Tolles passiert wäre. Also, was ist passiert?«
    »Na ja«, sagte ich und beschloss, aufs Ganze zu gehen. »Das schönste Mädchen von Paris sitzt heute Abend bei mir zu Hause am Tisch. Das ist passiert.«
    Ich hob den Blick und sah sie an. Bildete ich mir das nur ein, oder zog sich tatsächlich eine leichte Röte über ihr Gesicht?
    »Oh«, sagte sie. »Sehr charmant. Aber du weißt schon, dass ich eigentlich vergeben bin.« Sie lächelte verlegen.
    Ich lächelte auch. Immerhin hatte sie »eigentlich« gesagt.

15
    Eine halbe Stunde später legte Valérie mit einem glücklichen Seufzer ihr Besteck ab und lehnte sich zurück. »Das war göttlich«, sagte sie. »Aber jetzt kann ich wirklich nicht mehr.«
    Ich lächelte zufrieden. Die Casserole war fast leer.
    Valérie legte ihre Serviette auf den Tisch und sah mit einem Mal nachdenklich aus. »Weißt du … Alessandro …«, begann sie unvermittelt.
    »Ja?«, fragte ich und hätte fast die Casserole fallen lassen, die ich gerade in die Küche tragen wollte. Es war das erste Mal, seit ich Valérie damals von der Gare de Lyon abgeholt hatte, dass der Name des mir verhassten Nebenbuhlers wieder fiel, gleichwohl sah sie ihn ab und zu.
    »Er macht sich nicht sehr viel aus Essen. Komisch oder?«
    »Sehr komisch«, bestätigte ich. »Leute, die sich nichts aus Essen machen, sind mir nicht geheuer.«
    »Aber sonst ist er ganz wunderbar.«
    »Klar«, sagte ich großzügig. »Sonst hättest du dich ja nicht in ihn verliebt.«
    »Ja«, sagte sie und schien wieder zu überlegen. »Es ist nur …«
    »Ja?«, fragte ich scheinheilig.
    »Er macht sich auch nichts aus Büchern. Manchmal weiß ich gar nicht, was ich mit ihm reden soll. Ich meine, ich kann mich gar nicht so richtig gut mit ihm unterhalten – so wie mit dir.« Sie sah mich fragend an, und nur ich wusste, dass sie mit dem Ragout auch den Zweifel gegessen hatte, der sich nun in ihren Eingeweiden festsetzte.
    »Tja«, sagte ich und packte die Griffe der Casserole fester. »Ich finde, das ist sehr bedauerlich. Für Alessandro.« Ich gab mir Mühe, nicht zu vergnügt auszusehen. Für mich jedenfalls lief das hier richtig gut.

16
    Als ich das Parfait hochgeholt hatte und mit den warmen Schokoladenküchlein aus der Küche kam, stand Valérie vor dem Bücherregal. Ihre schlanken Finger fuhren die Buchrücken entlang, und als sie den Gedichtband von William Butler Yeats herauszog, fiel ein anderes Buch zu Boden. Ein Büchlein, um genau zu sein. Mit einem ochsenblutroten Ledereinband. Valérie bückte sich schon, um es aufzuheben, da fiel mir siedend heiß der Zettel ein, der noch zwischen den Seiten des Liebeselixirs steckte und auf dem die Menufolge für den Abend mit Valérie Castel stand.
    Mit zwei Sätzen war ich neben ihr und riss das verräterische Buch an mich, bevor Valérie danach greifen konnte. Wir stießen zusammen, und sie sah mich überrascht an.
    »Au! Was machst du denn da?« Sie rieb sich lachend die Schulter und rappelte sich auf.
    »Nichts«, sagte ich atemlos und schoss in die Höhe.
    Valérie starrte auf das Buch in meiner Hand und versuchte vergeblich den Titel zu entziffern. »Was steht da vom Tod und von der Liebe?« Glücklicherweise verdeckte mein Daumen das Wort »Elixir« und so hatte sie es nicht lesen können. Ich versteckte das Buch hinter meinem Rücken und grinste unschuldig.
    »Henri, was ist das für ein Buch? Sind das Gedichte?«
    »Äääh, nein«, sagte ich knapp. »Bitte setz dich wieder, ich hole jetzt das Blutorangenparfait.«
    Ich flüchtete mit dem Buch in die Küche, und sie folgte mir.
    »Sei nicht albern, Henri – warum darf ich das Buch nicht sehen?«
    Ihre weibliche Neugier war entfacht, ohne Zweifel. Und sicherlich kam es im Leben einer Valérie Castel nicht oft vor, dass ihr jemand etwas verwehrte. Ungeduldig zog sie an meinem Arm und versuchte mir das Buch aus der Hand zu schlagen. Lachend rangelten wir eine Weile in der Küche herum, ich hielt sie fest, spürte ihren biegsamen Körper, der sich in meinen Armen wand, sah aus dem Augenwinkel, wie ihr Kleid hinaufrutschte und die Halter ihrer Seidenstrümpfe aufblitzten, ihr heißer Atem streifte mein Ohr.

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