Mephisto
– schien der große Mann sich zu unterhalten, wie in der drolligsten Posse. Seine gute Laune steigerte sich noch während der burlesken Vorgänge in Auerbachs Keller zu Leipzig, als Höfgen mit bösartigem Übermut das Lied vom König und dem Floh zum besten gab, und schließlich den süßen Tokajerwein, den moussierenden Champagner aus dem Tisch für die besoffenen Rüpel bohrte – und ganz außer sich vor Vergnügen geriet der Dicke, als in der Finsternis der Hexenküche Höfgen die scharfe, klirrende Stimme des Höllenfürsten vernehmen ließ:
»Erkennst du mich? Gerippe! Scheusal du!
Erkennst du deinen Herrn und Meister?
Was hält mich ab, so schlag' ich zu,
zerschmettre dich und deine Katzengeister!
Hast du vorm roten Wams nicht mehr Respekt?
Kannst du die Hahnenfeder nicht erkennen?
Hab' ich dies Angesicht versteckt?
Soll ich mich etwa selber nennen?«
Dies galt der Hexe, dem Schauerweib, die denn auch entsetzt in sich zusammenknickte. Der Fliegergeneral aber schlug sich vor Vergnügen die Schenkel: das blitzende Selbstbewußtsein des Bösen, der Stolz des Satans auf seinen gräßlichen Rang amüsierten ihn gar zu sehr. Sein fettes, grunzendes Gelächter wurde begleitet vom silbrigen Lachen der Lindenthal. – Nach der Hexenküche-Szene war die Pause. Der Ministerpräsident ließ den Schauspieler Höfgen zu sich in die Loge bitten.
Hendrik wurde ganz weiß und mußte mehrere Sekunden lang die Augen schließen, als der kleine Böck ihm die bedeutsame Bestellung ausrichtete. Der große Augenblick war gekommen. Er würde dem Halbgott von Angesicht zu Angesicht gegenüberstehen … Angelika, die sich bei ihm in der Garderobe befand, brachte ihm ein Glas Wasser. Nachdem er es hastig geleert hatte, war er wieder dazu imstande, halbwegs aasig zu lächeln. Er konnte sogar sagen: »Das geht ja alles wunschgemäß und nach dem Programm!« – als machte er sich lustig über den entscheidenden Vorgang; aber seine Lippen waren blaß, da er dies spöttisch vorbrachte.
Als Hendrik die Loge der hohen Herrschaften betrat, saß der Dicke vorne an der Brüstung, seine fleischigen Finger spielten auf dem roten Samt. Hendrik blieb an der Türe stehen. Wie lächerlich, daß mein Herz so stark klopft! dachte er, und verhielt sich einige Sekunden lang stille. Dann hatte Lotte Lindenthal ihn bemerkt. Sie flötete: »Männe – du erlaubst, daß ich dir meinen hervorragenden Kollegen Hendrik Höfgen vorstelle« – und der Riese wandte sich um. Hendrik hörte seine ziemlich hohe, fette und dabei scharfe Stimme: »Aha, unser Mephistopheles …« Dieser Feststellung folgte ein Lachen.
Noch niemals in seinem Leben war Hendrik derartig verwirrt gewesen, und daß er sich seiner Aufregung schämte, steigerte sie vielleicht noch. Seinem getrübten Blick erschien auch die Kollegin Lindenthal phantastisch verändert. War es nur das blitzende Geschmeide, das ihr ein einschüchternd fürstliches Aussehen verlieh, oder war es der Umstand, daß sie sich in so vertrauter Nähe mit ihrem kolossalen Herrn und Beschützer zeigte? Jedenfalls wirkte sie auf Hendrik plötzlich wie eine Fee, und zwar wie eine üppig-liebliche, aber durchaus nicht ganz ungefährliche. Ihr Lächeln, das ihm sonst immer nur gutmütig und etwas blöde vorgekommen war, schien ihm nun auch rätselhafte Tücke, zu enthalten.
Von dem fetten Riesen in der bunten Uniform aber, von dem pompösen Halbgott sah Hendrik in seiner Angst und zitternden Gespanntheit so gut wie nichts. Vor der ausladenden Gestalt des Gewaltigen schien ein Schleier zu hängen – jener mystische Nebel, der seit eh und je das Bild der Mächtigen, der Schicksalsbestimmenden, der Götter dem bangen Blick der Sterblichen verbirgt. Nur ein Ordensstern blitzte durch den Dunst, die beängstigende Kontur eines wulstigen Nackens ward sichtbar, und dann ließ wieder die zugleich scharfe und fette Kommandostimme sich vernehmen:
»Treten Sie doch ein bißchen näher, Herr Höfgen.«
Die Leute, die plaudernd im Parkett geblieben waren, begannen aufmerksam zu werden auf die Gruppe in der Loge des Ministerpräsidenten. Man tuschelte, man drehte die Hälse. Keine Bewegung, die der Gewaltige machte, entging den Gaffenden, die sich zwischen den Stuhlreihen drängten. Man stellte fest, daß der Gesichtsausdruck des Fliegergenerals immer wohlwollender, immer vergnügter wurde. Nun lachte er, mit Rührung und Ehrfurcht konstatierte es das Volk im Parkett – der große Mann lachte laut, herzlich und mit weit
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