Mephisto
Negerin gab, die in unstatthaften und häßlichen Beziehungen zu Höfgen gestanden hatte und auch heute noch von ihm erhalten wurde. Cäsar überwand die ihm angeborene Aversion gegen welsche Unmoral und begab sich in das zweifelhafte Etablissement am Montmartre, wo Prinzessin Tebab als Vögelchen wirkte. Er bestellte Champagner für sich und die schwarze Dame; als diese aber erfuhr, daß er aus Berlin komme und etwas über Hendrik Höfgens erotische Vergangenheit zu wissen wünsche, sprach sie einige verächtliche und derbe Worte, stand auf, streckte ihm das schöne Hinterteil hin, von dem grüner Federnschmuck wallte, und begleitete diese Gebärde auch noch mit einem Geräusch, welches ihre gespitzten Lippen produzierten, und das die fatalsten Assoziationen hervorrufen mußte. Das ganze Lokal amüsierte sich. Der deutsche Barde war auf lächerliche und blamable Art abgefahren. Er machte drohende Stahlaugen, schlug mit der Faust auf den Tisch, äußerte mehrere sächsisch akzentuierte Sätze der Entrüstung und verließ das Lokal. Noch in derselben Nacht unterrichtete er telephonisch den Propagandaminister davon, daß mit dem Liebesleben des neuen Intendanten irgendwie nicht alles in Ordnung sein könne. Ohne Frage: hier waltete ein trübes Geheimnis, und der Liebling des Ministerpräsidenten bot Angriffsflächen. Der Propagandaminister dankte seinem Freunde, dem Dichter, aufs lebhafteste für die interessanten Mitteilungen. Aber wie schwer war es nun schon geworden, dem ersten Theatermann des Reiches, dem großen Liebling der Mächtigen und des Publikums etwas anzuhaben! Hendrik wurde allgemein geschätzt, er saß fest im Sattel. Auch sein Privatleben machte den günstigsten Eindruck. Auf eine gewisse nervöse und eigenwillig originelle Art hatte der junge Herr Intendant, im Rahmen seiner Häuslichkeit, geradezu etwas Patriarchalisches bekommen.
Hendrik hatte sich seine Eltern und Schwester Josy aus Köln nach Berlin kommen lassen. Mit ihnen bewohnte er eine große, schloßartige Villa im Grunewald. In der Etage am Reichskanzlerplatz, über die der Mietvertrag noch für einige Monate lief, logierte vorläufig Nicoletta. Die Villa mit Park, Tennisplatz, schönen Terrassen und geräumigen Garagen gab dem jungen Intendanten das Relief, den hochherrschaftlichen Hintergrund, den er nun brauchte und wollte. Wie lange war es her, daß er auf leichten Spangenschuhen, mit flatterndem Ledermantel, das Monokel vorm Auge – eine auffallende und beinah komische Erscheinung – durch die Straßen geeilt war? Noch am Reichskanzlerplatz war er Bohemien gewesen, wenn auch Bohemien mit luxuriösem Lebensstil. Im Grunewald aber wurde er Grandseigneur. Geld spielte keine Rolle: wenn es sich um ihre Favoriten handelte, war die Hölle nicht geizig, die Unterwelt zahlte, der Schauspieler Höfgen, der vom Leben nichts beansprucht hatte als ein reines Hemd und eine Flasche Eau de Cologne auf dem Nachttisch, konnte sich Rennpferde, große Dienerschaft und einen ganzen Park von Automobilen leisten. Niemand, oder fast niemand, nahm Anstoß an dem Pomp, den er entfaltete. In allen Illustrierten war das schöne Milieu zu sehen, in dem der junge Herr Intendant sich von anstrengender Arbeit erholte – ›Hendrik Höfgen, im Garten seiner Besitzung den berühmten Rassehund Hoppi fütternd‹, ›Hendrik Höfgen, im Renaissance-Speisezimmer seiner Villa mit seiner Mutter beim Frühstück‹ –, und die meisten Leute fanden es recht und billig, daß ein Mann, der sich um das Vaterland derartige Verdienste erwarb, auch seinerseits stark verdiente. Übrigens war ja all die Pracht, mit welcher der Intendant sich umgab, klein und bescheiden, verglichen mit dem märchenhaften Aufwand, den sein gewaltiger Herr und Freund, der Fliegergeneral, sich vor den Augen der Volksgemeinschaft provokant und prahlerisch gönnte …
Die Grunewald-Villa war das Eigentum des jungen Intendanten; er nannte sie ›Hendrik-Hall‹ und hatte sie einem jüdischen Bankdirektor, der nach London übersiedelt war, für eine relativ niedrige Summe abgekauft. In ›Hendrik-Hall‹ war alles höchst fein und gewiß ebenso großartig, wie es im Palais des ›Professors‹ gewesen war. Die Diener trugen schwarze Livreen mit silbernen Borten, nur der kleine Böck durfte ein wenig schlampig umhergehen. Meistens zeigte er sich in einer schmutzigen, blau und weiß gestreiften Jacke; zuweilen in der braunen SA-Uniform. Der törichte Bursche mit den wäßrigen Augen und dem harten Haar,
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