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Mephisto

Mephisto

Titel: Mephisto Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Mann
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Sattel saß. Die Tiere hielt er sich eigentlich nur, weil sie sich gut auf den Photos der Illustrierten ausnahmen; ganz heimlicherweise und ohne daß er sich dies selber jemals zugegeben hätte, waren vielleicht auch die Pferde, wie der kleine Böck, eine späte und verzweifelt sinnlose Rache an Barbara, die ihn mit ihren Morgenritten so oft geärgert hatte. Barbara aber war fern, sie wußte nichts von den Pferden, sie kümmerte sich in Paris um die politischen Flüchtlinge und um eine kleine aggressive Revue, für die sie Abonnenten im Balkan und in Südamerika, in Skandinavien und im Fernen Osten warb … Fräulein Josy und ihr Dagobert ritten ins Freie. Der junge Graf verliebte sich ein wenig in das muntere Mädchen. Da sie Wert darauf zu legen schien, verlobte er sich sogar mit ihr, hörte aber natürlich trotzdem nicht auf, nach Damen, die mehr Geld für seinen Titel würden zahlen können, Umschau zu halten. Zunächst jedoch hatte er es nicht eilig damit, die kleine Höfgen wieder zu verlassen, und hielt es auch nicht für ratsam, eine Familie zu brüskieren, die den persönlichen Umgang des Ministerpräsidenten genoß. Übrigens fand Dagobert es ganz amüsant in Hendrik-Hall.
    Der Intendant versuchte, sein Haus im englischen Stil zu halten. Den Whisky und die Marmeladen bezog Frau Bella direkt aus London. Man aß sehr viel Toast, saß mit Vorliebe am offenen Kaminfeuer, spielte Tennis oder Krokett im Garten, und am Sonntag, falls der Hausherr spielfrei war, trafen die Gäste schon zum Lunch ein, um bis in die Nacht hinein zu bleiben. Nach dem Dinner wurde auf der Diele getanzt. Hendrik zog sich den Smoking an und behauptete, sich abends in diesem Kleidungsstück am wohlsten zu fühlen. Auch Josy und Nicoletta machten sich niedlich. Bisweilen hatte die kleine Gesellschaft plötzlich tolle Launen: man fuhr, noch am späten Nachmittag, in drei Automobilen nach Hamburg, um in St. Pauli bummeln zu gehen. »Autos gibt es ja hier genug«, sagte Graf Donnersberg mit einer kleinen Nuance von Bitterkeit: manchmal ärgerte er sich darüber, daß der Komödiant im Gelde schwamm, während er, der Aristokrat, keines hatte. – Der Intendant besaß drei große Wagen und mehrere kleine. Die schönste Maschine – ein riesiger Mercedes mit glitzernd silberner Karrosserie – war ein Geschenk des Herrn Ministerpräsidenten: der dicke Gönner war aufmerksam genug gewesen, das prachtvolle Fahrzeug in den Grunewald bringen zu lassen, als Hendrik sein neues Heim bezog.
    Der Intendant gab nicht gerne und nur selten große Gesellschaften; aber er liebte es, zwanglos Gäste in Hendrik-Hall zu versammeln. – Nicoletta gehörte ganz zur Familie. Sie erschien unangemeldet zu den Mahlzeiten, beriet Hendrik in beruflichen Angelegenheiten, und übers Weekend kam sie mit einem Handkoffer an. Es war ein ziemlich umfangreiches Gepäckstück – zu umfangreich eigentlich, um nur ein Abendkleid, ein Pyjama und eine Puderquaste zu enthalten. Josy, von Neugier geplagt, schaute heimlich nach, was sonst noch in ihm verborgen sein mochte. Zu ihrem Erstaunen entdeckte sie ein Paar hoher Stiefel, angefertigt aus grellrotem, geschmeidigem Lackleder.
    Nicoletta war im Begriff, sich von Theophil Marder scheiden zu lassen. »Ich bin wieder Schauspielerin«, schrieb sie ihm. »Dich liebe ich immer, dich werde ich mein Leben lang verehren. Aber es macht mich selig, wieder arbeiten zu dürfen. In unserem neuen Deutschland herrscht ein allgemeiner Auftrieb, ein enthusiastischer Wille zur Arbeit, von dem dir, in deiner Einsamkeit, jede Vorstellung fehlt.« – Eine der ersten Amtshandlungen des Intendanten Höfgen war es gewesen, Nicoletta ans Staatstheater zu engagieren. Sie hatte noch nicht wieder einen Erfolg gehabt, der sich mit ihrem Hamburger Triumph vergleichen ließ. Jedoch wich allmählich die Erstarrung von ihr; Stimme und Bewegungen begannen sich zu lockern und zu beleben. »Paß auf, du lernst das Theaterspielen wieder!« verhieß ihr Hendrik. »Eigentlich hätte man dich ja auf keine Bühne mehr lassen sollen, du Närrin! Was du damals in Hamburg angestellt hast, war gar zu frevelhaft – ich meine jetzt: nicht in bezug auf den armen Kroge, sondern dir selbst gegenüber.« – Übrigens hätte Nicoletta sich als Aktrice noch so ungeschickt anstellen können, sie wäre in jedem Fall von den Kollegen und von der Presse mit dem gewähltesten Respekt behandelt worden; denn sie galt als die Freundin des Intendanten. Man wußte, daß sie auf den großen

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