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Mephisto

Mephisto

Titel: Mephisto Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Mann
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sich zum Sonderling entwickelt, lief tagaus, tagein in einer alten Hausjacke aus Flanell herum, interessierte sich hauptsächlich für Kursbücher, in denen er stundenlang blätterte, und für eine kleine Sammlung von Kakteen, die er auf dem Fensterbrett hegte; er rasierte sich zu selten und versteckte sich, wenn Gäste kamen. Sein rheinischer Witz war ihm total abhanden gekommen. Meistens schwieg er und starrte etwas blöde vor sich hin. Er hatte Heimweh nach Köln, obwohl ihm doch dort der Gerichtsvollzieher nicht mehr aus der Wohnung gewichen war und all seine geschäftlichen Unternehmungen ein so übles Ende gefunden hatten. Aber der Kampf, den er mit Leichtsinn und Zähigkeit um seine Existenz hatte führen müssen, war ihm besser bekommen als das Nichtstun am Herde seines arrivierten Sohnes. Hendriks Ruhm und Glanz waren ein Gegenstand der beständigen Verwunderung, fast des Grames für den alten Mann. »Nein, wie konnte das nur passieren!« murmelte er, als hätte ein Unglücksfall sich ereignet. Jeden Morgen betrachtete er sich bestürzt den Stoß von Briefen, der für seinen mächtigen und vielgeliebten Sprößling eingetroffen war. Wenn Johannes Lehmann sich mit Arbeit gar zu überlastet fand, bat er zuweilen Vater Köbes darum, ihm diese oder jene Kleinigkeit abzunehmen. So verbrachte der Alte manchen Vormittag damit, Photographien seines Sohnes zu signieren; denn er konnte Hendriks Handschrift besser nachahmen, als der Sekretär es fertigbrachte. Wenn der Intendant besonders sanfter Stimmung war, geschah es wohl, daß er seinen Vater einmal fragte: »Wie geht es dir denn, Papa? Du wirkst oft so niedergeschlagen. Es fehlt dir doch nichts? Du langweilst dich doch nicht in meinem Hause?« – »Nein nein«, brummte Vater Köbes, der etwas rot wurde unter all seinen Stoppeln. »Ich habe doch so viel Freude an meinen Kakteen und an den Hunden.« – Den Hunden durfte nur er zu fressen geben, er ließ keinen Diener an sie heran. Täglich machte er mit den schönen Windspielen einen großen Spaziergang, während Hendrik sich nur mit ihnen photographieren ließ. Die Tiere liebten Vater Köbes, gegen Hendrik aber waren sie scheu, weil dieser im Grunde seinerseits Angst vor ihnen hatte. »Sie sind bissig«, behauptete er; so sehr auch Vater Köbes widersprechen mochte, Hendrik blieb dabei: »Besonders Hoppi ist bissig. Er wird mir sicher plötzlich einmal etwas Scheußliches antun.« –
    Schwester Josy hatte ein kokett eingerichtetes Appartement im oberen Stockwerk der Villa. Aber sie war viel auf Reisen und ließ es häufig unbewohnt. Seit ihr Bruder zur Macht gehörte, ließ man Fräulein Höfgen überall am Rundfunk singen. Sie brachte flotte Piecen in rheinischer Mundart, man sah ihr niedliches Gesicht in allen Radiozeitschriften, und sie hatte häufig Gelegenheit, sich zu verloben. Das tat sie denn auch, aber nun durfte natürlich nicht mehr der erste beste um ihre Hand bitten, nur noch standesgemäße Verbindungen kamen in Frage, junge Herren in SS-Uniform wurden bevorzugt, ihre dekorativen Figuren belebten Hendrik-Hall. »Den Grafen Donnersberg werde ich wirklich heiraten«, verhieß Josy. Ihr Bruder äußerte Skepsis, Josy mußte weinen, »du bist immer so spöttisch zu mir«, brachte sie hervor. Frau Bella tröstete sie, auch Hendrik mochte es nicht, wenn sie Tränen vergoß, alle versicherten ihr, sie sei so hübsch geworden. Wirklich sah sie jetzt viel attraktiver aus als damals, da Barbara ihre Bekanntschaft auf dem Bahnsteig der süddeutschen Universitätsstadt gemacht hatte. Es lag vielleicht auch daran, daß sie sich jetzt teure Kleider leisten konnte. Den Sattel von Sommersprossen auf dem kecken Näschen hatte sie, durch eine umständliche kosmetische Behandlung, beinahe ganz entfernt. »Dagobert hat damit gedroht, die Verlobung aufzulösen, wenn die Sommersprossen nicht verschwinden«, sagte sie.
    Auch der junge Dagobert von Donnersberg hatte seine Launen, nicht nur Hendrik durfte sich welche leisten. Höfgen hatte den Grafen im Hause der Lindenthal kennengelernt, die sich gerne mit Aristokraten umgab. Dagobert – der ebenso hübsch wie unbemittelt, ebenso dumm wie verwöhnt war – wurde sofort nach Hendrik-Hall eingeladen. Fräulein Josy machte ihm den Vorschlag, mit ihr auszureiten. Hendrik bewegte seine schönen Pferde zu wenig: seine Zeit war kostbar, und übrigens machte ihm das Reiten kein Vergnügen. Er hatte es für Filmaufnahmen mit Mühe erlernt, und er wußte, daß er schlecht im

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