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Mephisto

Mephisto

Titel: Mephisto Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Mann
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Frau dazu, daß sie den ›Emigranten, Judensprößling und Kulturbolschewisten Theophil Marder‹ verlassen habe, um nun wieder aktiv am kulturellen Leben der Nation teilzunehmen. Dies war eine bittere Pille, wenngleich fein verzuckert. Theophils Name wirkte wie eine störende Dissonanz in dem schönen Konzert der Gratulationsartikel.
    Nicoletta übersiedelte mit Schrankkoffern und Hutschachteln vom Reichskanzlerplatz in den Grunewald. Die Kammerzofe, die ihr beim Auspacken behilflich war, erschrak ein wenig, als die hohen roten Stiefel zum Vorschein kamen; aber die junge gnädige Frau erklärte ihr mit schneidender Deutlichkeit, daß sie solches Schuhwerk für ein Amazonen-Kostüm benötige. »Ich werde sie als Penthesilea tragen!« rief Nicoletta mit einer merkwürdig triumphierenden Stimme. Die Zofe war von diesem exotisch klingenden Namen und von den strahlenden Katzenaugen ihrer Herrin so eingeschüchtert, daß sie sich hütete, noch irgendwelche Fragen zu stellen.
    Abends gab es in Hendrik-Hall großen Empfang – wie bescheiden war die kleine Veranstaltung im Hause des Geheimrats bei Hendriks erster Hochzeit gewesen, verglichen mit dieser höchst solennen Festlichkeit! Strahlend von gefährlichem Liebreiz bewegten sich Oberon und Titania durch die Schar ihrer Gäste. Sie hielten sich sehr gerade: er hatte das Kinn hochgereckt, sie raffte mit einer hochmütigen Gebärde die glitzernde, klirrende Schleppe ihrer metallischen Abendtoilette, zu der sie auf den Schultern und im Haar große, phantastische Glasblumen trug. – Nicolettas Antlitz leuchtete von harten, künstlichen Farben; Hendriks Gesicht schien zu phosphoreszieren in seiner grünlichen Blässe. Es war deutlich, daß ihnen beiden das Lächeln große Mühe und sogar Qual bereitete. Ihre Mienen wirkten maskenhaft. Der starre Blick schien durch die Personen, die sie auf ihrer stolzen Wanderung begrüßten, hindurchzugehen, wie durch Luft. Was aber sahen sie denn hinter all diesen Fräcken, dekorierten Uniformen und kostbaren Roben? Was schauten denn ihre Augen, daß sie so glasig wurden unter halbgesenkten Lidern? Was für Schatten stiegen denn auf und besaßen so traurige Macht, daß um die Lippen Hendriks und Nicolettas das Lächeln erfror und sich zur leidvollen Grimasse verzerrte?
    Vielleicht begegneten ihre Augen dem prüfenden Blick Barbaras, die ihre Freundin gewesen war, und die nun, in der Ferne und Fremde – ach, von diesen beiden getrennt durch Abgründe, über die es keine Brücke mehr gab – ihre ernste und harte Pflicht tat. Vielleicht zeigte sich ihnen das groteske Märtyrer-Antlitz Theophil Marders, der – halb verblendet, halb wissend, gezeichnet von tausend Qualen, mit denen er alle Sünden der Hybris und eines närrisch ich-besessenen Dünkels büßte – jammervoll und zornig herschaute zu Nicoletta, die ihn und damit ihr trotzig-selbstgewähltes Schicksal verlassen hatte. – Vielleicht aber sahen sie gar nicht das Gesicht irgendeines bestimmten Menschen, sondern, in einer vagen und überwältigenden Zusammenfassung, das Bild ihrer eigenen Jugend, die Summe alles dessen, was aus ihnen hätte werden können und was sie, in frevelhaftem Ehrgeiz, versäumt hatten aus sich zu machen; die lange, schmachvolle Geschichte ihres Verrates – eines Verrates nicht nur an anderen, sondern an sich selbst: an dem edleren, besseren und reineren Teil ihres eigenen Wesens –; die bitterlich blamable und trübe Chronik ihres Verfalls, ihres Abstieges, der sich einer blöden Welt als Aufstieg präsentierte. Ihr Aufstieg – so meinte die blöde Welt – hatte sie gemeinsam bis zu dieser sieghaft-hochzeitlichen Stunde geführt; während es doch diese Stunde gerade war, die ihre gemeinsame Niederlage besiegelte. Nun gehörten sie für immer zueinander, diese beiden Glitzernden, Schimmernden, Lächelnden – so wie zwei Verräter, so wie zwei Verbrecher für immer zueinander gehören. Das Band, das den einen Schuldigen an den anderen bindet, wird nicht Liebe sein, sondern Haß.
    Während der »Kultur-Senat« trauliche Kameradschaftsabende veranstaltete; während die Großen des Landes in den Hotelhallen für ihre notleidenden Volksgenossen milde Gaben einkassierten, mit denen man die Propaganda des Dritten Reiches im Ausland finanzierte; während Hochzeiten gefeiert, Lieder gesungen und unendlich viele Reden gehalten wurden – ging das Regime der totalen, militant-hochkapitalistischen Diktatur seinen schauerlichen Weg weiter, und am Rande des Weges

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