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Mephisto

Mephisto

Titel: Mephisto Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Mann
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Schauspielerin prostituierst stop männliches Ehrgefühl in mir protestiert gegen Deine Erniedrigung stop disziplinierte Frau hat bedingungslos total genialem Mann zu gehören, der sie zu sich hinaufziehen will stop erwarte Dich morgen am Bahnhof stop falls in entscheidender Situation versagst und Ankunft unter welchem Vorwand auch immer verzögerst, betrachte Dich als definitiv verworfen von mir, dem Weltgewissen, Theophil.‹
    Nicoletta entließ herrisch einige Ballettmädchen und Eintänzer, die sich eingefunden hatten, um ihr zum Erfolg zu gratulieren. Sie rief Höfgen an und erklärte ihm mit dürren Worten, daß sie in einer Stunde nach Süddeutschland abzureisen gedenke. Hendrik erkundigte sich, ob sie witzig sein wolle oder irrsinnig geworden sei. Sie erklärte trocken: Keines von beiden. Vielmehr verzichte sie auf ihr Engagement und auf ihre Karriere als Schauspielerin überhaupt. Die Rolle in dem französischen Dirnenstück könne man ohne viel Schwierigkeit umbesetzen, Rahel Mohrenwitz habe sich gewiß schon vorbereitet. Ihr, Nicoletta, aber sei auf der Welt nur noch eines wichtig: Theophil Marders Liebe. Die disziplinierte Frau gehöre bedingungslos total an die Seite des genialen Mannes, der sie zu sich hinaufziehen wolle – behauptete Fräulein von Niebuhr, zu Höfgens Überraschung, am Telephon.
    Hendrik, dem das Entsetzen fast die Stimme raubte, murmelte: »Du bist krank. Ich nehme mir ein Taxi und komme zu dir.« Zehn Minuten später stand er mit Barbara im Zimmer Nicolettas, die beim Kofferpacken war.
    Das edle und empfindliche Oval von Barbaras Gesicht war weiß wie die Wand, an die sie den Rücken lehnte. Barbara schwieg; Nicoletta schwieg; Hendrik redete. Erst spottete er, um dann zu flehen, schließlich zu drohen und zu toben. »Du hast einen Vertrag! Es gibt Konventionalstrafe!« Nicoletta erwiderte leise, aber immer noch mit schärfster Deutlichkeit: »Herr Kroge dürfte kaum Lust haben, mit Theophil Marder um den Besitz meiner Person zu prozessieren.« Hendrik gab zu bedenken: »Deine Karriere ist ruiniert. Kein Theater der Welt engagiert dich mehr.« Darauf Nicoletta: »Ich habe dir gesagt, daß ich mit tausend Freuden auf diese Karriere verzichte. Was ich gegen sie eintausche, ist unvergleichlich kostbarer, wesentlicher und schöner.« Nun war ihre Stimme nicht mehr scharf, sondern sang vor verhaltenem Jubel. Hendrik konnte seine Erschütterung kaum verbergen. Dieses Mädchen begann ihm rätselhaft zu werden. Wie, es gab Leidenschaften, die den Menschen so gewaltig ergriffen, daß man für sie eine Karriere hinwarf, die eben vielversprechend begann? Hendriks Phantasie war nicht dazu imstande, sich Gefühle vorzustellen, denen sein Herz kaum gewachsen gewesen wäre. Die Passionen, auf die er sich einließ, pflegten Konsequenzen zu haben, die seiner Karriere eher zuträglich waren; keinesfalls wurde ihnen gestattet, diese zu gefährden oder gar zu zerstören. – »Und all das um des schnoddrigen Propheten willen«, sagte er schließlich.
    Da richtete sich Nicoletta ganz gerade auf, hackte mit der Nase in die Luft und zischte: »Ich verbiete dir, von meinem Bräutigam, dem größten lebenden Menschen, so zu sprechen.« – Hendrik lächelte erschöpft und wischte sich den Schweiß von der Stirne. »Na«, sagte er, »dann muß ich es ja wohl mal dem armen Kroge erzählen.«
    Während er mit dem Künstlertheater telephonierte, ließ Barbara zum ersten Mal ihre Stimme vernehmen, vor der es wie ein Schleier von Traurigkeit hing. »Du willst ihn also heiraten?« fragte Barbara.
    »Wenn er mich nimmt!« versetzte mit einer schaurigen Fröhlichkeit Nicoletta, wobei sie es vermied, die Freundin anzusehen.
    Barbara sagte: »Er ist dreißig Jahre älter als du. Er könnte dein Vater sein.«
    »Ganz recht«, sagte Nicoletta, und aus ihren schönen Augen schlug die Flamme des Wahnsinns. »Er ist wie mein Vater. In ihm habe ich den Verlorenen wiedergefunden. Wunderbar erneuert sich die alte Bindung.«
    Barbara sagte beschwörend: »Er ist krank.«
    Jedoch die Verblendete sprach erhobenen Hauptes: »Er hat die höhere Gesundheit des Genies.«
    Da stöhnte Barbara nur noch: »Mein Gott, mein Gott«, und legte das Gesicht in die Hände. –
    Als eine Viertelstunde später Oskar H. Kroge, Direktor Schmitz und Frau von Herzfeld eintrafen, hatte Nicoletta ihre zahlreichen Koffer schon gepackt und stand in der Hotelhalle, den Wagen erwartend, der sie zur Bahn bringen sollte.
    Schmitz, der plötzlich gar keine

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