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Mephisto

Mephisto

Titel: Mephisto Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Mann
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knarrenden Stimme:
    »Das ganze Zeug muß nochmals gesetzt werden! Ist doch unerhört! Mein Name ist schon wieder falsch geschrieben! Kann ich denn nicht einmal hier im Hause durchsetzen, daß man mir meinen richtigen Namen gibt? Ich heiße nicht Henrik!« Dabei warf er zornig das Papier zu Boden. »Ich heiße Hendrik – merkt es euch doch endlich: Hendrik Höfgen!«
    Der junge Mann aus dem Bureau duckte den Kopf und murmelte etwas über einen neuen Setzer, dessen Ahnungslosigkeit den unverzeihlichen Fehler verschuldet habe. Von den Girls kam ein leises Kichern, das silbrig klang, als bewegte man vorsichtig mehrere Glöckchen. Hendrik reckte sich und brachte das zarte Läuten mit einem fürchterlichen Blick zum Verstummen.
     

VI
»ES IST DOCH NICHT ZU SCHILDERN …«
     
    Hendrik Höfgen litt, wenn er im ›H. K.‹ die Berliner Zeitungen las; sein Herz zog sich zusammen und schmerzte vor Neid und Eifersucht. Triumphaler Erfolg der Martin! Neuinszenierung des ›Hamlet‹ am Staatstheater, sensationelle literarische Premiere am Schiffbauerdamm … Und er saß in der Provinz! Die Hauptstadt kam ohne ihn aus! Die Filmgesellschaften, die großen Theater – sie bedurften nicht seiner. Ihn rief man nicht. Seinen Namen kannte man nicht in Berlin. Wurde er einmal erwähnt, von dem Hamburger Korrespondenten eines Berliner Blattes, dann war er gewiß falsch geschrieben: ›In der Rolle des unheimlichen Intriganten fiel ein Herr Henrik Höpfgen auf …‹ Ein Herr Henrik Höpfgen! Ihm sank die Stirne nach vorn. Die Sucht nach dem Ruhm – dem großen, eigentlichen Ruhm in der Kapitale – nagte an ihm, wie ein physischer Schmerz. Hendrik griff sich an die Wange, als hätte er Zahnweh.
    »Erster zu sein in Hamburg – das ist schon was Rechtes!« beklagte er sich bei Frau von Herzfeld, die sich nach dem Grunde seines üblen Aussehens teilnahmsvoll erkundigt hatte und nun versuchte, ihn zu beruhigen mittels kluger Schmeicheleien. »Liebling eines provinziellen Publikums zu sein – ich bedanke mich schön. Lieber fange ich in Berlin von vorne an, als daß ich diesen kleinstädtischen Betrieb länger mitmache.«
    Frau von Herzfeld erschrak. »Sie wollen doch nicht wirklich weg von hier, Hendrik?« Dabei öffnete sie klagend die goldbraunen, sanften Augen, und über die große Fläche ihres weichen, flaumig gepuderten Gesichts lief ein Zucken.
    »Es ist alles ganz unentschieden.« Hendrik blickte streng an Frau von Herzfeld vorbei und rückte enerviert die Schulter. »Zunächst gastiere ich einmal in Wien.« Er sagte es nachlässig, als erwähnte er eine Tatsache, welche Hedda längst bekannt sein mußte. Indessen hatte sie – so wenig wie irgend jemand sonst im Theater: so wenig wie Kroge, Ulrichs oder selbst Barbara – eine Ahnung davon gehabt, daß Hendrik in Wien gastieren wollte.
    »Der Professor hat mich aufgefordert«, sagte er und putzte sein Monokel mit dem Seidentuch. »Eine ganz nette Rolle. Eigentlich wollte ich ablehnen, wegen der schlechten Saison: wer ist schon in Wien, jetzt im Juni? Aber schließlich habe ich mich doch entschlossen, anzunehmen. Man weiß ja nie, was für Folgen so ein Gastspiel beim Professor haben kann … Übrigens wird die Martin meine Partnerin sein«, bemerkte er noch, während er sich das Monokel wieder vors Auge klemmte.
    ›Der Professor‹ war jener Regisseur und Theaterleiter von legendärem Ruhm und ungeheurem internationalen Ansehen, der mehrere Theater in Berlin und Wien beherrschte. Wirklich hatte sein Sekretariat dem Schauspieler Höfgen eine mittlere Rolle in der Altwiener Posse angeboten, die der Professor während der Sommermonate mit Dora Martin in einem seiner Wiener Häuser spielen lassen wollte. Jedoch war diese Einladung keineswegs von selbst und ungefähr zustande gekommen; vielmehr hatte Höfgen einen Protektor gefunden, und zwar in der Person des Dramatikers Theophil Marder. Dieser war zwar mit dem Professor, wie mit aller Welt, bitterböse; der berühmte Regisseur aber bewahrte dem Satiriker, dessen Stücke er früher mit erheblichem Erfolg herausgebracht hatte, ein Wohlwollen, in dem Ironie und Respekt sich vermischten. Es geschah zuweilen, daß Marder den Theaterdirektionen in gereiztem und drohendem Ton eine junge Dame anpries, für die er sich interessierte; beinah nie aber kam es vor, daß er sich für einen Mann verwendete. Deshalb blieben die empfehlenden Worte, die er für Höfgen fand, nicht ohne Eindruck auf den Professor, wenngleich sie auch

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