Mephisto
wiederholte er grausam. »Aber das schadet ja nichts. Man kann es trotzdem versuchen. Was die Gage betrifft …« Hier wurde des Professors Lächeln beinahe schelmisch, und seine Zunge spielte besonders eifrig im Munde. »Wahrscheinlich sind Sie, von Hamburg her, ein relativ anständiges Einkommen gewohnt. Sie werden sich bei uns zunächst mit weniger zufrieden geben müssen. – Sind Sie anspruchsvoll?« Der Professor erkundigte sich in einem Ton, als geschähe es nur aus theoretischem Interesse. Hendrik beeilte sich, zu versichern: »Mir liegt gar nichts am Geld. – Wirklich nicht«, sagte er mit der glaubwürdigsten Betonung; denn er sah den Professor eine skeptische Grimasse schneiden. »Ich bin nicht verwöhnt. Was ich brauche, das ist ein frisches Hemd und eine Flasche Eau de Cologne auf dem Nachttisch.« Der Professor lachte noch einmal kurz. Dann sagte er: »Die Details können Sie mit Katz besprechen. Ich werde ihn instruieren.«
Die Audienz war beendet, Höfgen wurde mit einer Handbewegung entlassen. »Grüßen Sie bitte Ihren Herrn Schwiegervater von mir«, sagte der Professor, während er schon wieder, die Hände auf dem Rücken verschränkt, klein und gedrungen, in napoleonischer Haltung über den dicken Teppich seines Zimmers schritt.
Herr Katz war der Generalsekretär des Professors; er leitete alles Geschäftliche in den Theatern des Meisters, sprach schon ebenso knarrend wie dieser und spielte wie dieser mit der Zunge in seinen Backen. Die Unterredung zwischen ihm und dem Schauspieler Höfgen fand noch im Lauf desselben Tages statt. Hendrik akzeptierte anstandslos einen Vertrag, den er dem Direktor Schmitz um die Ohren geschlagen haben würde: denn er war miserabel. 700 Mark Monatsgage – wovon noch die Steuern abgingen –, und bestimmte Rollen waren ihm nicht garantiert. Mußte er sich dergleichen bieten lassen? Er mußte wohl, da er nach Berlin wollte und in Berlin unbekannt war. Noch einmal Anfänger sein! Es war nicht leicht, und mußte ausgehalten werden. Opfer waren zu bringen, wenn man unbedingt nach oben wollte.
Hendrik schickte einen großen Strauß gelber Rosen an Dora Martin; den schönen Blumen – die er vom Hotelportier hatte bezahlen lassen – legte er einen Zettel bei, auf den er in großen, pathetisch eckigen Buchstaben das Wort ›Danke‹ schrieb. Gleichzeitig verfaßte er einen Brief an die Direktoren Schmitz und Kroge: kurz und trocken setzte er den beiden Männern, denen er so vieles schuldig war, auseinander, daß er, zu seinem Bedauern, den Vertrag mit dem Künstlertheater nicht erneuern könne, da der Professor ihm ein glänzendes Angebot gemacht habe. Während er den Brief ins Kuvert steckte, stellte er sich einige Sekunden lang die bestürzten Mienen in dem Hamburger Bureau vor. Beim Gedanken an den tränenfeuchten Blick der Frau von Herzfeld mußte er kichern. In sehr animierter Stimmung fuhr er ins Theater.
Er ließ sich in Dora Martins Garderobe melden, aber die Kammerfrau bedeutete ihm, daß ihre Herrin die Visite des Professors habe.
»Ich habe Ihnen also diesen sonderbaren Gefallen getan«, sagte der Professor und schaute sinnend auf Dora Martins Schultern, deren Magerkeit der Frisiermantel bedeckte.
»Dieser Bursche ist engagiert – dieser – wie heißt er noch?«
»Höfgen«, lächelt die Martin, »Hendrik Höfgen. Sie werden sich den Namen schon noch merken, mein Lieber.«
Der Professor zuckte hochmütig die Achseln, spielte mit der Zunge in den Backen und brachte knarrende Laute hervor. »Er gefällt mir nicht«, sagte er schließlich. »Ein Komödiant.«
»Seit wann haben Sie etwas gegen Komödianten?« Die Martin zeigte lächelnd ihre Zähne.
»Nur gegen schlechte Komödianten habe ich etwas.« Der Professor schien ärgerlich. »Gegen Provinzkomödianten«, sagte er böse.
Die Martin war plötzlich ernst geworden; ihr Blick verdunkelte sich unter der hohen Stirn.
»Er interessiert mich«, sagte sie leise. »Er ist ganz gewissenlos« – sie lächelte zärtlich –, »ein ganz schlechter Mensch.« Sie dehnte sich, beinah wollüstig; dabei ließ sie das kindliche, gescheite Haupt in den Nacken sinken. »Wir könnten Überraschungen mit ihm erleben«, sagte sie, schwärmerisch zur Decke hinauf.
Einige Sekunden später erhob sie sich hastig und scheuchte den Professor mit flatternden kleinen Gebärden zur Tür.
»Es ist höchste Zeit!« machte sie lachend. »Hinaus! Schnell hinaus mit Ihnen! Ich muß mir meine Perücke aufsetzen.«
Der
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