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Mephisto

Mephisto

Titel: Mephisto Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Mann
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Feinde? Dieser wird ausgehalten und begünstigt von den reichen Leuten, die nur eine Angst kennen: Eine Regierung könnte es sich einfallen lassen, ihnen etwas Geld wegzunehmen. Gibt es Saalschlachten in Berlin und nächtliche Straßenkämpfe? Gibt es schon den Bürgerkrieg, der beinah täglich seine Opfer fordert? Wird schon Arbeitern von Burschen in brauner Uniform das Gesicht zertreten und der Kehlkopf durchgeschnitten, der große Volksverführer aber – Chef der ›aufbauwilligen Elemente‹, Liebling der Schwerindustriellen und der Generale – publiziert schamlos sein Glückwunschtelegramm an die viehischen Mörder?
    Schwört derselbe Hetzer, der die Nacht der langen Messer fordert und öffentlich gelobt, es würden Köpfe rollen, er wolle ›nur auf legalem Wege‹ zur Macht kommen? Darf er es sich herausnehmen, darf er es wagen, täglich so viel Drohungen und Infamien in die Welt zu schreien mit seiner bellenden Stimme?
    Es ist doch nicht zu schildern! Ministerien stürzen, werden neu gebildet und sind nicht klüger als vorher. Soll man denn ganz verwildern? Im Palais des ehrwürdigen Generalfeldmarschalls intrigieren die Großgrundbesitzer gegen eine zitternde Republik. Die Demokraten schwören, der Feind steht links. Polizeipräsidenten, die sich sozialistisch nennen, lassen auf Arbeiter schießen. Die bellende Stimme aber darf täglich ungestört dem ›System‹ Strafgericht und blutigen Untergang verheißen.
    Das hat die Welt noch nicht gesehen! Sieht es denn nicht der hochbezahlte Spaßmacher eben jenes Systems, gegen das die infame Kettenhundstimme ihre Verwünschungen schleudert? Fällt es denn dem Schauspieler Höfgen nicht auf, daß die Veranstaltungen, deren fragwürdiger Held er ist, im Grund makabren Charakters sind, und daß der Tanz, zu dessen beliebtesten Anführern er gehört, die grausige Tendenz zum Abgrund hat?
    Hendrik Höfgen – Spezialist für elegante Schurken, Mörder im Frack, historische Intriganten – sieht nichts, hört nichts, merkt nichts. Er lebt gar nicht in der Stadt Berlin – so wenig wie er jemals in der Stadt Hamburg gelebt hat –; er kennt nichts als Bühnen, Filmateliers, Garderoben, ein paar Nachtlokale, ein paar Festsäle und versnobte Salons. Spürt er, daß die Jahreszeiten wechseln? Wird es ihm bewußt, daß die Jahre vergehen – die letzten Jahre dieser mit so viel Hoffnung begrüßten, nun so jammervoll verscheidenden Weimarer Republik: die Jahre 1930, 1931, 1932? Der Schauspieler Höfgen lebt von einer Premiere zur nächsten, von einem Film zum andern; er zählt ›Aufnahmetage‹, ›Probentage‹, aber er weiß kaum davon, daß der Schnee schmilzt, daß die Bäume und Gebüsche Knospen tragen oder Blätter, daß ein Wind die Düfte mit sich trägt, daß es Blumen gibt und Erde und fließendes Wasser. Eingesperrt in seinen Ehrgeiz wie in ein Gefängnis; unersättlich und unermüdlich; immer im Zustand höchster hysterischer Spannung genießt und erleidet der Schauspieler Höfgen ein Schicksal, das ihm außerordentlich scheint, und das doch nichts ist als die vulgäre, schillernde Arabeske am Rande eines todgeweihten, dem Geist entfremdeten, der Katastrophe entgegentreibenden Betriebes.
    Es ist doch nicht zu schildern – es ist doch überhaupt nicht aufzuzählen, was er alles treibt, durch wieviel verschiedenartige Einfälle und Überraschungen er das öffentliche Interesse auf sich lenkt. – Den Vertrag mit den Bühnen des Professors hat er, zum fassungslosen Kummer des Fräulein Bernhard, gelöst, um frei zu sein für all die verlockenden Chancen, die sich ihm bieten. Nun spielt und inszeniert er einmal hier, einmal dort – wenn die einträgliche Filmarbeit ihm Zeit für die Bühne übrig läßt. Auf der Leinwand oder auf der Bühne sieht man ihn in kleidsamer Apachentracht – rotes Halstuch zum schwarzen Hemd; das Haar einer blonden Perücke, die seine Miene noch verdächtiger wirken läßt, tief in die Stirn frisiert –, im gestickten Kostüm des dandyhaften Rokokofürsten; im üppigen Gewand orientalischer Despoten; in der römischen Toga oder im Biedermeierrock; als preußischen König oder als degenerierten englischen Lord; im Golfanzug, im Pyjama, im Frack oder in der Husarenuniform. In der großen Operette singt er Albernheiten auf so klug pointierte Manier, daß die Dummen sie für geistreich halten; in klassischen Dramen bewegt er sich mit so eleganter Nachlässigkeit, daß die Werke Schillers oder Shakespeares wie amüsante

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