Mephistos Erben: Kriminalroman (German Edition)
wissen, dass die meisten im günstigsten Fall nur noch lallen. Einige sind kaum mehr bei Bewusstsein. Da ist es reine Glückssache, die Personalien festzustellen. Am besten fahren Sie hin und sehen selbst nach; ich habe hier schon wieder drei Anrufe in der Warteschleife.«
Lea sah ein, dass sie hier nicht weiterkam. »Ja, das werde ich. Vielen Dank für die Auskunft.«
Im selben Moment hörte sie das Schloss an der Haustür und wollte schon aufatmen, doch es war Jonas, der zur Tür hereinkam.
»Und, hat Marie sich gemeldet?«, erkundigte er sich und begann, seine Lederjacke auszuziehen.
Lea schüttelte den Kopf: »Der Mann auf der Rettungsleitstelle konnte mir nur sagen, dass die Krankenwagen von der Zitadelle aus sämtlich zur Uniklinik gefahren sind.« Sie deutete auf Jonas’ Jacke: »Die kannst du gleich anbehalten, wir fahren zur Uniklinik und suchen Marie.«
Lea bat Ullrich, im Haus zu bleiben und ihr sofort Bescheid zu sagen, wenn er von Marie etwas hören sollte.
»Mache ich, fahrt schon los. Soll ich Sören Bescheid sagen?«
»Ja, bitte.«
Nachdem sie ihre braune Daunenjacke übergezogen hatte, verließ sie mit Jonas das Haus. Die Straßen waren wie leergefegt, und so dauerte die Fahrt zur Mainzer Universitätsklinik nur etwa zehn Minuten.
»Mama, da vorne geht’s nicht weiter.«
In der Tat. Eine endlose Schlange von Rettungswagen staute sich vor der Notaufnahme, und über ihnen kreiste der Rettungshubschrauber. Das Szenario erinnerte an Flutkatastrophen oder Massenkarambolagen.
»Bleib mal im Auto«, sagte Lea zu ihrem Sohn, stieg aus und lief an den Rettungswagen vorbei, in denen die obligatorische Infusionsflasche von der Decke baumelte. Der Eingangsbereich der Notaufnahme war heillos überfüllt. Schon auf dem Gang mischte sich der Geruch von Erbrochenem mit Desinfektionsmitteln zu einer kaum erträglichen Komposition, doch aus ihrer Zeit als Assistenzärztin wusste Lea, dass die Geruchsnerven die eigenartige Fähigkeit besaßen, sich in kurzer Zeit umzustellen und die Weiterleitung der übelsten Gerüche in das olfaktorische Zentrum des Gehirns verweigerten.
Sie entdeckte eine Schwester, die mit unzähligen Aufnahmebögen und Chipkarten kämpfte. »Entschuldigen Sie, wurde eine Marie Johannsen bei Ihnen aufgenommen?«
Ohne weiter nachzufragen, überflog die Ambulanzschwester einen Computerausdruck und schüttelte den Kopf.
»Ein Freund unseres Sohnes hat meine Tochter neben einem Krankenwagen stehen sehen, sie ist nicht nach Hause gekommen.«
»Da kommen heute viele nicht hin, wir haben Rosenmontag.«
Nach dieser Feststellung eilte sie davon.
»Johanna! Johanna! Mach die Augen auf! Gleich geht’s dir besser!« Aus einer der Behandlungskabinen drang eine Stimme, gefolgt von einem Würgegeräusch.
Mit zwei Schritten war Lea bei der Tür, schob sie zur Seite und blickte direkt ins Gesicht ihrer ältesten Tochter, die neben ihrer Klassenkameradin Johanna auf einem Metallschemel saß und ihr den Kopf hielt.
»Mama, was machst du denn hier?«
»Was glaubst du denn?«, fragte Lea mit einer Mischung aus Erleichterung und Verärgerung. »Wir wussten nicht, wo du bist, und Jonas‘ Freund hat dich neben einem Rettungswagen gesehen.«
»Entschuldigung, Mama! Ich habe Johanna in der Unterführung hinter dem Cinestar aufgelesen, sie lag auf dem kalten Fußboden, hat gewimmert, und als ich sie angesprochen habe, hat sie nur gelallt. Ich habe sie zu einem der Rettungswagen an der Bushaltestelle neben der Zitadelle gebracht und bin halt mitgefahren.«
Leas Ärger verschwand vollständig. Erleichtert strich sie über Maries verstrubbelten blonden Haarschopf. »Ist ja gut … Wie geht’s Johanna?«
Maries Klassenkameradin lag mit bleichem Gesicht auf der Trage und hatte mit dem ständigen Würgereiz zu kämpfen.
»Sie hat alles Mögliche getrunken, dazu irgendwelche bunten Pillen geschluckt und Wodka mit was drin.«
»Den Magen haben sie ihr nicht ausgepumpt?«, fragte Lea nach.
»Nein, sie hat schon ein paar Mal gebrochen, und der Arzt hat gesagt, man kann ihr deshalb den Magenschlauch ersparen.« Marie wies auf die Metallschüssel hin, die am Boden stand und mit Johannas Mageninhalt gut gefüllt war.
Die Schiebetür wurde erneut aufgezogen und ein übermüdet aussehender Assistenzarzt mit nicht mehr attraktivem Dreitagebart trat in die Kabine.
»Na, ist die ganze Familie eingetroffen? Hat sich ein bisschen übernommen, das Töchterchen.«
Lea klärte ihn kurzerhand über die nicht
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