Mephistos Erben: Kriminalroman (German Edition)
Marie aufgebrochen. Da die Mädchenclique wegen der coolen Musik eines Radiosenders den Umzug am Kino angeschaut und dort geblieben war, hätte Marie für den Heimweg etwa 40 Minuten benötigt.
Ihrem besorgten Blick entnahm Ullrich, dass etwas geschehen war. Auf ihren Bericht hin meinte er: »Für die weiblichen Familienmitglieder würde ich zukünftig Bodyguards engagieren.«
»Ich bin auch bald so weit«, gab Lea zur Antwort und tippte die Nummer von Maries Handy ein, die sie von einer Liste am Küchenschrank ablas. Nach dreimaligem Piepton meldete sich die Mailbox, auf der Maries helle Stimme den Anrufer bat, eine Nachricht zu hinterlassen. Lea stöhnte vernehmlich. »Mailboxen sind nur erfunden worden, um Mütter zu schikanieren«, erklärte sie Ullrich und sprach eine Nachricht auf. Als Nächstes wählte sie die Nummer von Jonas, der Gott sei Dank sofort an sein Handy ging.
»Hi, Mama, was gibt’s?«
»Hast du irgendwas von Marie gehört? Sie müsste schon zu Hause sein. Verena hat angerufen, dass sie schon vor über einer Stunde am Cinestar losgelaufen sei.«
»Moment, Mama, ich glaube, Markus hat sie getroffen, ich frag mal nach.«
Es dauerte eine Weile, bis Jonas sich durch das Chaos zu seinem Freund durchgefragt hatte. Eine unerträgliche Frist, so dass Lea ungeduldig ins Handy rief: »Jonas, sag schon: Hat Markus Marie gesehen?«
»Moment noch, Mama, cool down.«
Die Worte cool down wirkten auf Lea, als würde man einen Karton Feuerwerkskörper in ein Lagerfeuer werfen.
»Jonas, mach schon! Hat er sie gesehen oder nicht?«
»Mama!« Offensichtlich hatte Jonas ebenfalls größere Probleme mit der Verständigung.
»Ich versteh dich, Jonas.«
»Markus hat sie oberhalb der Zitadelle neben einem Rettungswagen sitzen sehen, zusammen mit mehreren Leuten.«
»Neben einem Rettungswagen?«
»Ja, Markus war sich ziemlich sicher.«
»Danke, mein Kleiner«, entschlüpfte Lea der Kosename, der regelmäßig Missfallen bei ihrem Sohn hervorrief. Aber sie war erst einmal erleichtert, dass Marie neben dem Rettungswagen gesehen worden war. »Jonas, kommst du bitte nach Hause? Papa steht noch im OP, und solange ich nicht weiß, was mit Marie ist, könnte ich Beistand gebrauchen.«
»Alles klar, bis gleich«, erwiderte Jonas und legte auf. So störrisch er auch manchmal auftrat, wenn es echte Probleme gab, war er für sie da. Dieser Charakterzug ihres Ältesten machte es Lea einfacher, darüber hinwegzusehen, dass sein Zimmer durchgängig dem Trainingscamp einer kompletten Fußballmannschaft glich.
Achtzehntes Kapitel
Der Reiter mit dem schwarzen Banner in der Hand. Sie sah das Symbol der Rose und am Helm die rote Feder. Das alchemistische Symbol für den Stein der Weisen, sie kannte es aus der Malerei der Renaissance. Ihr Blick fiel auf das Gesicht des Reiters, und sie begann schwer zu atmen. Unter dem Helm blickte sie in leere Augenhöhlen. Der Tod, dieser dunkle Geist, der völlige Einsamkeit brachte. Das Nichts. Sie hatte ihn immer gefürchtet, war vor dem Gedanken an ihn in die Arme der Mutter und später in die Arme eines jeden lebendigen Menschen geflohen. Die Wärme des menschlichen Körpers hielt ihn nachts von ihr fern. Jetzt war er auf sie zugekommen. Sie wollte sich am Altar fes t halten, aber sie zuckte zurück; noch näher heran an ihn, etwas berühren in seiner Nähe, das konnte sie nicht.
Sie hörte Marcions Stimme: »Es bleibt nur der lebendig, der willens ist, mit dem Leben zu sterben. Das Stirb und Werde ist deine Offenbarung. Nimm Abschied auf dem Weg ins Licht.« Er legte ihr die Hand auf den Scheitel.
Als sie den Ton hörte, wurde sie ruhiger.
Lea wählte die Nummer der Rettungsleitstelle und erkundigte sich bei dem diensthabenden Einsatzleiter nach Marie.
»Marie Johannsen heißt sie.«
»Moment bitte, wie alt ist das Mädchen?«
»Fünfzehn, ein Freund meines Sohnes hat sie vor einer knappen Stunde neben einem Rettungswagen oberhalb der Zitadelle gesehen.«
»Da haben wir in der letzten halben Stunde mindestens fünf Rettungswagen hingeschickt. Die meisten sind in die Uniklinik gefahren.«
»Zum Ausnüchterungsbereich der Notaufnahme?« Lea fragte nach, um sicherzugehen.
»Exakt. Zwei sind in die Chirurgie gefahren, das war eine Schlägerei, und eine weitere Person mit Verdacht auf eine hypertensive Krise in die Innere …«
»Und die Namen der Personen, die Sie in den Ausnüchterungsbereich gebracht haben, gibt es da welche?«
»Junge Frau, Sie müssten doch eigentlich
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