Mephistos Erben: Kriminalroman (German Edition)
bestimmte.
»Wir suchen zurzeit nach dem Motiv für einen Selbstmord oder nach Motiven einer anderen Person oder Personengruppe, die unter Umständen in den Suizid verwickelt ist.«
»Wieso ist das Motiv so entscheidend?« Lea war durchaus geneigt, sich in die Detektivrolle zu begeben.
»Falls es sich so verhält, dass andere Personen beteiligt sind, ist es unerlässlich, sich um deren mögliche Motive zu kümmern. Denn das Motiv bleibt die wichtigste Verbindung zwischen Täter und Opfer. Die üblichen Motive, Eifersucht, Rache, Habgier, stehen natürlich immer ganz oben auf unserer Liste. Ich denke aber, dass bei diesem Fall bislang nichts davon unmittelbar in Frage kommt. Zumindest drängt sich kein Motiv auf.«
»Haben Sie keinen Hinweis auf einen Freund oder Lebensgefährten?«
»Nein, nichts Aktuelles. Wir haben Liebesbriefe an einen gewissen David Bortham aus England gefunden, die sind allerdings schon mehr als zwanzig Jahre alt. In ihrem Terminkalender tauchen hin und wieder Männernamen auf, allerdings ohne Nachnamen. Auch ihr Telefonbuch enthält nur wenige Nummern. Jedenfalls haben wir keinen Hinweis auf problematische Liebesbeziehungen, Eifersucht oder eine Affäre mit einem verheirateten Mann, so dass wir diese Richtung erst einmal nicht weiterverfolgen.«
»Was machen Sie, wenn es keine maßgebliche Spur gibt?«
Lea bekam nach und nach den Eindruck, es könne sich bei der Polizeiarbeit um eine mühselige Angelegenheit handeln.
»Wenn wir keine oder nur spärliche Anhaltspunkte haben, müssen wir zunächst mit Vermutungen arbeiten, anders kommen wir manchmal nicht weiter.«
Lea erstaunte die Verbindung zwischen polizeilicher Ermittlung und Spekulation, doch bevor sie nachfragen konnte, machte sich ihr Handy bemerkbar. »Entschuldigung«, sagte sie zu Sandra Kurz gewandt und zog das Gerät aus der Tasche.
»Johannsen. Ja, Frau Witt, ich bin bald zurück, kein Problem, die Patientin soll warten, ich bin in einem Gespräch. Sie kommt dann sofort dran, bis gleich.«
»Schwierig sind die Fälle, in denen es keine Beziehung zwischen Täter und Opfer gibt«, nahm Frau Kurz ihr Gespräch wieder auf. Lea blickte sie fragend an. »Nun, zum Beispiel Auftragsmorde beim organisierten Verbrechen. Die Täter reisen in ein Land ein, erledigen ihren Auftrag und sind wenige Stunden später wieder außer Landes. Da gibt es so gut wie keinen Ermittlungserfolg.«
»Denken Sie bei Frau van der Neer an einen Auftragsmord?«
»Nein, aber wir schließen nur vorerst nichts aus. Immerhin hatte sie mit sehr wertvollen Gemälden zu tun.«
Jetzt war es Frau Kurz’ Handy, das sich mit einem sirenenartigen Ton in ihrer Jacke meldete. »Sandra Kurz, ja, hallo!« Das Telefonat dauerte nicht lange. Sandra Kurz schob ihr Handy zurück in die Jackentasche. »Das war ein Kollege aus Frankfurt. Er hat sich mit Philipp Hohenstein unterhalten, den er an seinem Arbeitsplatz in der Bank aufgesucht hat.«
»Ist das nicht peinlich für einen Zeugen?«, fragte Lea, die sich gerade den klassischen Ermittler vom Typ Humphrey Bogart mit aufgestelltem Mantelkragen und Kippe im Mundwinkel im modernen Büroraum einer internationalen Bank vorstellte.
»Wir sind diskret, soweit das möglich ist. Manchmal sind wir es nicht.« Frau Kurz zuckte mit den Schultern. »Aber wir haben eine Tote und müssen die Umstände ihres Todes klären. Das ist unser Job.«
»Natürlich.« Lea trank von ihrer Apfelschorle. Das knappe Statement von Sandra Kurz offenbarte, dass unter der jugendlich-lockeren Oberfläche der jungen Frau eine zielstrebige Kriminalbeamtin steckte, die sich keinesfalls durch Unannehmlichkeiten von ihrer Aufgabe abbringen lassen würde. Lea schaute Sandra Kurz an, die ihr nach dieser Überlegung verändert erschien.
»Herr Hohenstein hat meinem Kollegen bestätigt, dass er Susanna van der Neer von den Kursen im ISG kennt. Sie haben sich hin und wieder unterhalten, allerdings hat wohl niemand im Rahmen dieser Veranstaltungen etwas von seinem Alltagsleben preisgegeben. Aus diesem Grund konnte er uns auch nichts Näheres über die Verfassung oder über aktuelle Probleme von Frau van der Neer sagen. Immerhin hat er bestätigt, dass Frau van der Neer oft zwischen tiefer Niedergeschlagenheit und hoffnungsvoller Aufbruchsstimmung schwankte.«
»Das war sicher auf den ersten Blick bei ihr zu erkennen.«
»Konnte er sich an den Magier erinnern?«
»Ja, konnte er. Er sagte, dieser sei eine Zeitlang sein Thema gewesen.« Sandra Kurz rückte
Weitere Kostenlose Bücher