Mephistos Erben: Kriminalroman (German Edition)
dringend stärken mussten.
Eine halbe Stunde nach ihrem Telefonat wählte Lea im Heilig Geist einen Tisch mit Blick auf den Eingang. Das Restaurant war weitläufig, und die hohen Gewölbe unterstrichen den Eindruck noch. Lea war gerne hier.
Sandra Kurz kam wenige Minuten später. Die Bedienung näherte sich den beiden Frauen zielstrebig und bat sie um ihre Bestellung. »Für mich bitte einen Rucola-Salat mit Parmesan und eine Apfelschorle.« Lea benötigte keine Speisekarte, da sie stets das Gleiche bestellte. Sandra Kurz wählte Lamm mit Wurzelgemüse und Pellkartoffeln sowie ebenfalls eine Apfelschorle.
»Hübsche Ohrringe«, bemerkte Lea mit Blick auf die außergewöhnlichen Kreationen, die auch heute an den Ohrläppchen der Polizistin baumelten. Diese wirkten wie Miniaturausgaben vom Mainzer Wochenmarkt. Da hingen Bananen neben Trauben und einem kleinen Apfel. Frau Kurz schüttelte ihren Kopf, so dass es unter ihren Ohren nach Obstsalat aussah, und lächelte, was sie unbeschwerter erscheinen ließ. »Manchmal brauche ich morgens etwas Fröhliches, insbesondere wenn ich weiß, dass es für den ganzen Tag reichen muss.«
Sie blickte Lea abwartend an.
»Auf der Karteikarte von Frau van der Neer hatte ich, wie schon gesagt, notiert, dass sie von Cleo Hollmann, einer alten Bekannten, zu mir nach Mainz geschickt wurde. Das hatte ich vollkommen vergessen.«
»Und wer ist Frau Hollmann?«
Lea fasste die wichtigsten Informationen über Cleo und das Frauenzentrum in Frankfurt zusammen. Dabei bemühte sie sich, sachlich zu bleiben und ihre persönlichen Differenzen mit Cleo herauszuhalten. Sandra Kurz machte sich aufmerksam Notizen und Lea unterbrach kaum.
»Nun, dann ist Frau Hollmann unsere nächste Adresse.«
Ihre Bestellung wurde gebracht, und nachdem sie Pfeffer aus einer überdimensionierten Pfeffermühle abgelehnt hatten, waren sie wieder unter sich.
»Was könnte das bedeuten, dass sich Frau van der Neer auf den Teufel eingelassen hat? Klingt das für Sie nach einer Verbindung zu okkulten Kreisen, einer Sekte oder Ähnlichem?«, fragte Sandra Kurz.
Lea blickte auf das grüne Blättergewirr ihres Salates und die dünn geschnittenen Parmesanscheiben, die wie Sonnendächer darüber schwebten.
»Tja, so eindeutig hört es sich nicht an. Wir hatten vor sechs Wochen eine Fortbildung zum Thema Sekten und kollektiver Wahn. Es wurden unter anderem einzelne Erscheinungsformen des Satanismus vorgestellt. Da gibt es Personen, die Hexen-, Schamanen- oder Druidenzirkeln angehören. Sie tragen Symbole wie das umgedrehte Kreuz oder das Pentagramm. Einige benutzen satanische Rituale, um so genannte schwarzmagische Erfahrungen zu machen. Dabei wird das Erscheinen des Teufels und der Kontakt zu ihm beschworen.«
»Vielleicht war es solch ein Ritual, das bei Frau van der Neer diesen panikartigen Ausnahmezustand hervorgerufen hat, der zu ihrem ersten Besuch in Ihrer Praxis führte?«
»Hm, ausschließen kann man das natürlich nicht, aber wenn man die Informationen zusammenfügt, passen die Einzelteile nicht richtig zueinander.«
Sandra Kurz nickte, und Lea überlegte laut weiter. »Dann gibt es auch die Variante des Satanismus als Protestbewegung. Hierbei sind es überwiegend Jugendliche, die schwarze Kleidung tragen, Black-Metal-Musik hören und so einer Art selbst gebasteltem Satanismus angehören. Alles Grausame gehört dazu, Horrorvideos, Horrorliteratur und pseudosatanische Riten.«
»In diese Kategorie fällt wohl der Ritualmord im Sommer 2001, bei dem das Opfer mit 66 Messerstichen und Hammerschlägen brutal ermordet wurde.« Frau Kurz hatte die Information sofort parat.
»Das denke ich auch. Die Täter waren unreife Personen, die ihre Machtphantasien ausgelebt haben. Das hatte nichts mit einer organisierten Sekte zu tun, eher etwas mit abnormen Persönlichkeiten.«
»Passt auch nicht zu Frau van der Neer, nicht zu Alter, Lebensstil und Auftreten«, entschied Sandra Kurz bestimmt.
»Sehe ich auch so, das passt überhaupt nicht«, stimmte Lea zu.
Neben die beiden Frauen setzte sich ein junges Pärchen, das sich verliebt in die Augen schaute und mit seiner heiteren Ausstrahlung so gar nicht zu ihrem Thema passte. Lea erholte sich bei dem Anblick, und als sie versonnen hinüberschaute, entfernte sie sich aus der dunklen Welt, in der sie sich gerade aufgehalten hatte. Leider musste sie sofort wieder zurück in das Gruselkabinett der menschlichen Verfehlungen, da Frau Kurz den kriminalistischen Standort
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