Mephistos Erben: Kriminalroman (German Edition)
loszuwerden. Das Gesicht der Judi t h zeigte Willen und Entschlossenheit.
Susanna dachte an ihr Ziel.
Siebtes Kapitel
Als Lea am nächsten Morgen erwachte, war es früh am Tag. Draußen brannten noch die Straßenlaternen. Sie ging in die Küche, füllte Wasser in den Blitzkocher und stellte ihn an. Auf der Suche nach ihrer Lieblingskaffeetasse, fiel ihr auf, dass die Spülmaschine nicht gelaufen war. Unwillig drückte sie, nachdem sie den Reiniger in der Maschine platziert hatte, auf den Startknopf. Nach den ersten Schlucken Kaffee kam Lea allmählich zu sich. Sie spürte deutlich, wie sich ihr Kreislauf auf Tagesbetrieb umstellte. Im Badezimmer schaute sie in ein müdes Gesicht. Es gab Momente, da schien dessen Oval seinen Schwerpunkt nach unten verlagert zu haben. Dies war ein solcher Moment, und er gefiel Lea nicht. Sie duschte, schlüpfte in ihre Kleider und machte die gewohnte Runde, um die Kinder zu wecken. Wie so oft, wenn Dunkelheit mehr zum Weiterträumen als zum freudigen Erwachen aufforderte, reichte eine Runde nicht aus. »Mama, du bist so brutal«, kam es als Dank für die konsequente Weckaktion aus dem Kissenhaufen, unter dem Lea ihren Ältesten nur vermuten konnte.
Einige Zeit später war sie nahe des Holzturmes, eines Eckturmes aus der mittelalterlichen Stadtbefestigung, in dem der Schinderhannes seine letzten Wochen bis zur Hinrichtung verbracht hatte, auf der Suche nach einem Parkplatz fündig geworden. Ein unangenehmer Nieselregen setzte ein. »Na ja, der Herbst ist nicht nur golden«, philosophierte Lea, nachdem ihr suchender Blick auch auf dem Rücksitz und im Fußraum wieder einmal keinen Schirm entdecken konnte. Den Weg in die Augustinerstraße legte sie im Laufschritt zurück und konnte dennoch nicht verhindern, dass sie durchnässt und mit angeklebten Haaren die Praxis betrat.
Der Moment, auf den sie seit ihrer Reise an den Genfer See gewartet hatte, war gekommen.
Ihr erstes Zusammentreffen mit dem Mann war eine Überraschung. Ein durchdringender Blick, nicht prüfend, sondern wissend. Er hielt sie auf Distanz, und das verwirrte sie, da alle Männer, die sie bisher getroffen hatte, bemüht waren, Nähe zu ihr herzustellen.
Die Kursteilnehmer trafen sich in einer Halle zur ersten Zusammenkunft. Die wenigen Formalitäten hatte sie bereits im Büro des Instituts erledigt. Man hatte ihr ein weißes Gewand gegeben, das sie anstelle ihrer eigenen Kleidung anzog. »Das ist unser Symbol für den Anfang. Die persönlichen Dinge, die uns anhaften, sollen keine Rolle mehr spielen.«
Wie in einem Kloster, dachte sie, aber sie bemühte sich, offen zu bleiben und ihre Erwartung nicht einzuengen.
Der Raum, in dem sie sich versammelten, war groß. Die Wände sowie das Deckengewölbe, das sich erstaunlich hoch über den Reihen der Menschen erhob, waren weiß getüncht. Das Auge fand nichts, um zu verweilen und sich festzuhalten in diesem Weiß. Die weiße Farbe … Wie bei Jemina.
Der Mann schritt durch die Reihen und blieb vor einer gemauerten Nische mit einer weißen Kerze stehen. Er verharrte so einige Minuten, die Arme sei t lich nach oben gereckt. Dann begann er mit leiser, aber deu t lich vernehmbarer Stimme zu sprechen:
»Aus seinem Reich fließt weißes Licht in unsere Körper, es verwandelt unsere dunklen Schatten, es löst sie auf und vertreibt sie. Wir werden den Weg sehen und alles Negative in Licht verwandeln können. Wir konzentrieren uns auf das Licht.«
Susanna spürte, wie sie nach und nach beim Klang dieser Stimme ruhig wurde. Ihr Atem strömte gleichmäßig ohne Anstrengung in ihren Körper. Sie spürte ein körperliches Wohlbehagen wie schon lange nicht mehr.
»Wir sehen unsere Angst vor dem Leben, wir sehen, wie diese Angst unseren Blick trübt und wie die Konturen unseres Lebens verschwinden. Diese Angst verstellt uns den Weg zum Licht, sie hält uns fest und lässt uns verzweifeln. Wir aber werden frei von Angst und von negativen Gefühlen. Jeder Einzelne.«
Er drehte sich um und rief die Namen der Anwesenden einzeln auf. Einer nach dem anderen ging nach vorne.
Als sie vor ihm stand, kam eine gewisse Unruhe in ihr auf. Konnte er ihre Schuld sehen? Sie senkte ihren Blick, spürte aber, wie er sie betrachtete und prüfte.
Er berührte sie am Arm, und sie schaute ihn an. Seine Augen waren in die Ferne gerichtet und hatten einen unbestimmten Ausdruck. Im aufgeschlagenen Buch lag ihre Karte.
»Der Eremit, er zeigt unser eigenes Licht, das den Weg beleuchtet. Er hilft uns,
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