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Mephistos Erben: Kriminalroman (German Edition)

Mephistos Erben: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Mephistos Erben: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Heeger
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stoßweise Atmung produzierten, über den Handrücken liefen, punktierte mit der Kanüle die Vene, aspirierte etwas Blut und injizierte langsam das Medikament. Die Entspannung trat sofort ein, die Gliedmaßen des Patienten entkrampften sich, die Kiefer gaben ihren festen Druck aufeinander auf, und der Patient wurde in die stabile Seitenlage gebracht, bis wenig später der Notarztwagen den Patienten in die Klinik brachte.
    Nach weiteren vier Patienten war an diesem Tag die Vormittagssprechstunde geschafft und Lea machte sich auf den Weg zu ihrer Verabredung mit dem Bruder Susanna van der Neers. Am Schillerplatz gab es ein neues Café, das Lea noch nicht kannte. »Meine Mittagspause kann sich heute etwas hinziehen«, informierte sie vorsichtshalber Frau Witt, bevor sie die Praxis verließ. Das Treffen mit Frau Kurz hatte sie noch deutlich in Erinnerung.
    »In Ordnung, der Nachmittag sieht nicht so überfüllt aus. Hoffen wir mal, dass es so bleibt.«
    Halbwegs beruhigt betrat Lea die Fußgängerzone und steuerte über die Ludwigsstraße den Schillerplatz an.
    Mit zehnminütiger Verspätung erreichte sie den Treffpunkt. Nach einem kurzen Blick durch das Lokal erkannte sie Herrn van der Neer an einem der Bistrotische. Er war nicht alleine. Neben ihm saß ein Herr, dessen Ähnlichkeit mit seinem Tischgenossen die Vermutung nahelegte, dass es sich um den älteren Bruder Johannes handeln musste. Lea zwängte sich durch die eng gestellten Stühle hindurch und versuchte, nichts auf den wackelig wirkenden Tischen umzuwerfen. Nachdem sie zwischen den beiden Männern Platz genommen hatte, stellte Alexander van der Neer seinen Begleiter vor.
    »Vielen Dank, Frau Johannsen, dass Sie dieses Treffen einrichten konnten und sich für uns Zeit nehmen. Gestatten Sie, dass ich Ihnen meinen Bruder Johannes vorstelle.« Lea reichte Johannes van der Neer die Hand. »Mein Bruder ist wegen der Beerdigung und der angesetzten Testamentseröffnung aus Passau angereist.«
    Man spürte, wie schwer es ihm fiel, das Wort Beerdigung auszusprechen, dieses Wort, dem die Wendung »Asche zu Asche, Staub zu Staub« wie ein Schatten anzuhaften schien.
    »Johannes ist katholischer Priester im Bistum Passau«, fügte Alexander van der Neer hinzu.
    Johannes van der Neer war trotz der äußeren Ähnlichkeit mit seinem Bruder ein anderer Typ. Ein weicher Händedruck, vorsichtig, warm und nachgiebig, während der seines Bruders kurz und energisch war. Schon häufiger hatte Lea sich Gedanken über mögliche Rückschlüsse gemacht, die sich aus dieser kurzen ritualisierten Berührung ergaben. Die Körpersprache war wesentlich weniger der Kontrolle durch den Verstand unterworfen und zeigte eindeutiger, mit wem man es zu tun hatte. Die Varianten waren zahlreich. Das unsichere Handreichen, bei dem man Angst haben musste, die Hand nicht halten zu können, die sich kaum vorwagte und deren Finger sich kaum schlossen. Der starke, feste Griff als Zeichen von Energie oder Dominanz. Und eben dieser weiche Händedruck. Letzterer passte zu Johannes van der Neer. Seine Statur war untersetzt, um die Körpermitte füllig, und man hätte ihn ohne Weiteres für den Jüngeren der beiden Brüder halten können. Er ergriff das Wort, nachdem er Lea ebenfalls unauffällig betrachtet hatte. Seine Stimme klang energischer, als Lea es erwartet hätte.
    »Als Alexander mich angerufen und mir gesagt hat, dass Susanna tot ist, konnte ich seine Worte nicht fassen.«
    Er griff unter den Tisch und holte aus einer braunen Aktentasche ein weißes Stofftaschentuch hervor. Damit trocknete er sich die feucht gewordenen Augen, faltete das Taschentuch wieder sorgfältig zusammen und legte es auf den Tisch. Lea dachte an das Stofftaschentuch, das bei der Toten gefunden worden war. Sie zeigte darauf.
    »Hatte Ihre Schwester so ähnliche Taschentücher?«
    Johannes van der Neer schaute Lea überrascht an.
    »Die Frage klingt sicher merkwürdig, aber ein weißes Stofftaschentuch hat meines Wissens bei Ihrer Schwester auf dem Tisch gelegen, als man sie in ihrer Wohnung fand.«
    »Gewiss, Susanna hatte auch solche Stofftaschentücher. Sie entstammen einer Gewohnheit unserer Mutter, die der Meinung war, dass eine Person, die etwas auf sich hält, nie ohne ein sauberes Stofftaschentuch aus dem Haus gehen darf.« Ein verlegenes Lächeln huschte über sein Gesicht. »Wir sind aus diesem Grund alle mit einem unerschöpflichen Vorrat an weißen Taschentüchern ausgestattet, der bis zu unserem Lebensende reichen

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