Mephistos Erben: Kriminalroman (German Edition)
städtischen Naherholungsgebieten ging. Die Patientin besaß eine überdurchschnittliche Überzeugungskraft, die durch figurbetonte Kleidung und einen offenherzigen Ausschnitt Unterstützung fand. Als die ersten Zinszahlungen fällig wurden und keinerlei Geldbeträge auf den Bankkonten eingegangen waren, wurde der Abteilungsleiter der Kreditabteilung misstrauisch und ordnete eine Überprüfung des Kreditantrags und der vorliegenden Verträge an. Das Projekt löste sich in Luft auf. Die erstaunten Banker mussten erfahren, dass der Kredit für Feiern mit Prominenten verpulvert worden war, angeblich, um an Sponsorenverträge zu kommen. Das hatte teils der Wahrheit entsprochen. Partys in der Frankfurter Flughafendiskothek, im Kempinski , im Fleming’s über den Dächern von Frankfurt sowie im angesagten Cocoon-Club hatten Unsummen verschlungen. Für die Bank allerdings gab es nichts. Keine Verträge, keine Sponsoren, nur eine Patientin, die dringend Medikamente benötigte. Dieser ging es nach eigener Wahrnehmung allerdings sehr gut.
»Frau Doktor, ich brauche keine Medikamente, ich habe eine Aktion in Kenia geplant, eine Touristenattraktion, ein Wellnesshotel …«
Bitte nicht schon wieder ein Wellnesshotel!, dachte Lea elektrisiert.
»… mit Kulturprogramm, so in der Art ›moderne Welt trifft auf archaische Kultur‹ . Die Menschen können das Leben in Afrika spüren, wenn sie sich darauf einlassen, das werden neue Erfahrungen für sie sein.«
Lea brauchte einige Anläufe, um die Patientin dazu zu bewegen, in ihren Ausführungen innezuhalten und der Medikamenteneinnahme, die sie hoffentlich wieder bremsen würde, zuzustimmen.
Zehntes Kapitel
Das Museum lag am Main, und man hatte einen herrlichen Blick auf den Eisernen Steg, der aufgrund seines Geländers wie ein quergelegter Eiffelturm erschien. Die Silhouette der Frankfurter Skyline zeichnete sich scharf vor dem herbs t lichen Himmel ab. Zwischen dunklen Wolkengebilden, die ihren Inhalt mühsam festzuhalten schienen, zeigten sich kleine Flecken blauen Himmels. Ein stürmischer Wind trieb die bunten Blätter der Platanen vor sich her.
Zielstrebig betrat Susanna das Museum. Die Ausstellung sollte in einem abgetrennten Bereich im ersten Obergeschoss arrangiert werden. Sie würde drei Tage dafür benötigen. Sie zeigte dem Pförtner ihre Karte und das Schreiben der Museumsleitung. Er nickte, notierte sich ihren Namen und forderte sie auf, einen Moment zu warten, damit er die zuständige Mitarbeiterin informieren konnte, dass sie eingetroffen war.
»Frau Gronauer wird gleich bei Ihnen sein. Wenn Sie möchten, können Sie jedoch schon den Ausstellungsraum besichtigen, die Bilder befinden sich ebenfalls bereits dort.«
Da Susanna es bevorzugte, bei jeder Ausstellung zunächst eine Weile mit den Bildern alleine zu verbringen, nahm sie dieses Angebot gerne an und stieg, nachdem er ihr den Weg gewiesen hatte, ins erste Obergeschoss.
In dem Raum angekommen, legte sie ihre Tasche ab und trat zu dem Gestell, auf dem die Bilder bereitgestellt worden waren. Sie hob die Hülle des ersten Bildes vorsichtig an, eine Flusslandschaft von Jan van Goyen. Dieses erste Anschauen war ein Moment, den sie immer genoss.
Sie begutachtete den Raum. Wenn man ihn nicht veränderte, war er nicht besonders gut geeignet. Zu viel Licht kam durch die großen Fenster herein und überstrahlte den subtilen Glanz dieses Meisterwerks der holländischen Malerei des 17. Jahrhunderts. Ein Paravent wäre sicher nützlich, um dies zu verhindern. Sie ließ vorsichtig die Schutzhülle fallen und wandte sich dem nächsten Bild zu. Vorsichtig hob sie die weiche Folie an.
Da war er wieder. Sofort traten ihr Schweißperlen auf die Stirn. Der Satyr kam aus dem Dunklen zum Tisch. Ein Bild von Jacob Jordaens, einem flämischen Genremaler, mit dem Titel »Satyr beim Bauern«.
Es konnte kein Zufall sein: der Satyr, die Maske, die Karte. Das war sein Bildnis.
»Nein, nicht schon wieder«, kam es aufstöhnend über ihre Lippen. Sie musste fort. Fort aus diesem Raum, fliehen vor dem Gefühl, das in ihr emporstieg. Angst, Faszination und Abscheu. Sie griff ihre Tasche, hastete aus dem Raum und beeilte sich, die Treppe hinunter in den Eingangsbereich und zum Ausgang zu kommen. Der Museumsmitarbeiter dort blickte ihr verwundert hinterher.
Auf der Treppenstufe vor dem Gebäude sog sie die kalte Luft ein und stellte ihre Tasche auf den Steinboden. Mit zitternden Fingern wühlte sie zwischen Papieren, ihrem
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