Mephistos Erben: Kriminalroman (German Edition)
sie etwas abseits.
»Leider keine üppigen Ermittlungsergebnisse«, antwortete Bender. »Wir haben über Europol einen Fall in Frankreich, einen recht aktuellen in Belgien und einen Fall in England übermittelt bekommen, die Ähnlichkeiten mit unserem aufweisen. Frauen im mittleren Lebensalter, aus wohlhabenden Verhältnissen. Selbstmorde, die eigenartig beiläufig wirken.«
»Abschiedsbriefe? Oder Hinweise auf Zahlen, Tod oder Teufel?«
»Das hört sich an, als würden wir nach einem Piratenkapitän fahnden«, erwiderte Kommissar Bender schmunzelnd. Lea überlegte, ob er wohl nur in den Unterhaltungen mit ihr solche Gedanken zum Besten gab. Sogleich beantwortete er jedoch seriös ihre Frage. »Nein, nichts in der Art, weder einen Abschiedsbrief noch die Zahlengeschichte. Jedoch waren alle drei Frauen in der Esoterikszene unterwegs. Eine der Toten, sie war Französin, war zwei Jahre vor ihrem Tod in New Mexico, einer Art Mekka der Esoteriker. Sie lebte dort fünf Monate in einem Camp. Die näheren Daten bekommen wir noch.«
Lea hörte gebannt zu. »Und gab es bei diesen Fällen auch Erbschaften für irgendwelche Institute oder Schenkungen?«
»In der Tat, in zwei Fällen. Und das hat die Staatsanwaltschaft hellhörig gemacht. Bei dem dritten Fall, in England, wurde eine Schenkung zugunsten einer spirituellen Gemeinschaft durch einen gerichtlichen Einspruch verhindert. Der Bruder der Toten hatte den Verdacht geäußert, dass es bei dem Selbstmord nicht mit rechten Dingen zugegangen sei.«
»Hm, mysteriös«, meinte Lea nachdenklich. Man konnte sich vieles ausdenken und stand doch nur vor einem Haufen Phantastereien und Spekulationen. So sah es offensichtlich auch der Kommissar:
»Tja. Was an Fakten übrig bleibt, ist eine labile Person, die sich von spirituellen Praktiken angezogen fühlt und ihrem Leben dann spontan ein Ende setzt. Wenn wir nicht bald etwas Handfestes ermitteln, wird die Akte geschlossen.« Kommissar Bender deutete Leas unzufriedenen Gesichtsausdruck richtig und setzte hinzu: »Aber noch sind wir nicht am Ende.« Mit Blick auf seine Armbanduhr sah er sich gezwungen, die Plauderei abzubrechen. »Ich muss weiter, sonst wird die Verschnaufpause für die Ganoven zu lang. Übrigens, der Mantel steht Ihnen, die triste Jahreszeit wird dadurch farblich aufgewertet.«
Leas Mantel leuchtete tatsächlich wie ein Osterei. Sie widersprach dem Kompliment nicht. Franz Bender hatte keine Ahnung, dass es sich um einen Neuzugang in ihrem Verhaltensrepertoire handelte. Vor nicht allzu langer Zeit waren ihr Komplimente fast unangenehm gewesen. »Den habe ich schon seit ewigen Zeiten« oder »Der war runtergesetzt im Winterschlussverkauf« waren ihre verlegenen Kommentare gewesen. »Predigt unseren Patienten Selbstvertrauen und selbstbewusstes Auftreten und verkraftet noch nicht mal ein einfaches Kompliment«, hatte Ullrich ihr die Leviten gelesen. Seitdem bemühte sie sich, Komplimente locker entgegenzunehmen.
»Gute Wahl«, äußerte der Kommissar nochmals mit Blick auf ihren grasgrünen Wollmantel mit orangefarbenen Paspeln, und sie verabschiedeten sich. Als Lea etwas später die Kasse ansteuerte, hatte sie den Eindruck, die Kassiererinnen wetteiferten miteinander um die schnellste Erfassung der Produkte mit dem Scanner. Dabei wurden die Toilettenpapierrollen, Haushaltsreiniger, Waschmittelpakete, Tiefkühlpizzen und Gemüsebeutel derart rasant über die Scanner gezogen, dass man unwillkürlich von der Hetzerei angesteckt wurde. Lea fragte sich, wie Leute mit erhöhtem Blutdruck, Herzrhythmusstörungen oder einfach nur schwachen Nerven diese Situation wohl unbeschadet überstanden.
Ihr Einkaufswagen war wie immer überfüllt, aber sie schaffte es fast bis zum Auto. Dann übersah sie eine Schwelle. Der Beutel mit den Äpfeln stürzte von seiner Gipfelposition ab und platzte auf dem Boden. Man konnte sich entweder dafür entscheiden, die Äpfel einzufangen und den Einkaufswagen herrenlos seinem Schicksal auf dem Parkplatz zu überlassen, der leicht abschüssig war. Oder man betrachtete die Äpfel als notwendiges Bauernopfer. Lea entschied sich gegen die Äpfel, da ein in Fahrt kommender Einkaufswagen erheblich größere Schäden erwarten ließ. Nachdem sie ihre zahlreichen Tüten im Kofferraum verstaut hatte, brachte sie den Einkaufswagen zurück. Auf dem Weg zum »Einkaufswagenhalteplatz« hörte sie eine Frau in breitestem Dialekt zu ihrem Begleiter sagen: »Jetz schau der des an! Da hat so ä dumm Kuh ihre
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