Mephistos Erben: Kriminalroman (German Edition)
Haare fielen ihr fast bis zur Taille hinab.
»An einem Schwert soll es nicht scheitern, ich habe meines immer dabei«, erwiderte der Typ. Wegen der Alkoholfahne, die durch das grölende Lachen freigesetzt wurde, roch die Küche, als habe man eine Flasche Schnaps auf den Boden geschüttet. »Willst du es dir vielleicht mal anschauen, mein Schwert?«
Sie hatte ihn angeekelt mit ihren ausgestreckten Armen auf Abstand gehalten und versucht, die überfüllte Küche zu verlassen. Den Mann schien das nicht im Geringsten zu stören, er hatte sich sogleich umorientiert und die Frau angesprochen, die sich eingemischt hatte.
»Prinzessinnen haben es sowieso nicht drauf. Und du?«
»Mal schaun«, hatte die Frau erwidert und sich die blonde Haarflut gekonnt über die Schultern geworfen.
Susanna selbst hatte die Diskussion genutzt, um endgültig aus der Küche zu verschwinden, und sich auf die Suche nach Ellen gemacht.
In dem überfüllten Wohnzimmer hatte sie Ellen nirgends entdecken können. Eine Nische, in der die Mäntel und Jacken aufgestapelt waren, war ihr als geeigneter Ort erschienen, um auf Ellen zu warten und sich gleichzeitig vor aufdringlichen Partygästen zu schützen.
Nachdem sie eine Zei t lang die Partygäste beobachtet hatte, von denen einige begonnen hatten zu tanzen, öffnete sich plötzlich auf der anderen Seite des Raumes eine Tür. Ellen erschien mit t heatralischer Geste im Türrahmen. Sie hatte in der einen Hand eine halbleere Flasche Sekt, die andere Hand hielt sie über ihren Ausschnitt.
»Er hat mir die Jungfräulichkeit gestohlen!«
Diejenigen, die in ihrer Nähe standen, lachten.
»Damit ist er einige Jahre zu spät dran bei dir, Schätzchen, habe ich recht?«, rief ihr ein Mann zu.
»Welch ein hellsichtiger Gedanke! Aber richtig, ich erinnere mich gut, es war phantastisch.«
Sie hatte sich zu dem Mann umgedreht, der hinter ihr in der Tür erschienen war, und tätschelte ihm die Wange. »Und überhaupt, der Kerl, der mir seinen Willen aufzwingt, muss erst noch geboren werden!«
Mehr als ein dümmliches Grinsen hatte ihr Begleiter nicht zustande gebracht.
Es hatte gedauert, bis Susanna die Bedeutung dieser Sätze verstanden hatte. Doch dann hatte sie sich in Bewegung gesetzt und war vor Ellen stehen geblieben.
Nachdem diese sich von ihrem Begleiter abgewandt hatte, war ihr Blick auf sie gefallen.
»Nicht wahr, meine Süße, ich habe dir doch auch erzählt, wie phantastisch es damals war!«
Sie hatte gelacht, einen Schritt auf sie zu gemacht und sie auf ihren sprachlos geöffneten Mund geküsst. Sie spürte heute noch Ellens Zunge mit dem Geschmack nach Alkohol und Spuren befriedigter Leidenschaft. Und da war noch etwas anderes, das sie nie wieder loswerden sollte: der Geschmack von Erniedrigung.
»Was soll das heißen, Ellen? Was hast du gerade gesagt? Was war mit Alexander?«
»Ich bin die böse Fee, meine Kleine!«
»Und die Perlen?«
»Ja, ja, die Perlen … Wie sind die wohl in Alexanders Zimmer gekommen? Vielleicht durch Zauberei?« Lachend hatte sie sich zu der kleinen Zuschauergruppe gewandt, die der Szene gefolgt war.
Susanna erinnerte sich gut daran, dass ihre Stimme ihr kaum gehorchen wollte.
»Ellen, sag mir die Wahrheit. Was ist wirklich damals geschehen, mit Alexander?«
»Was ist Wahrheit, was ist Lüge? Da kann der Papi der kleinen Prinzessin nicht helfen, wie schade!«
Ellen hatte ihr mit ausgestreckter Hand über das Haar gestreichelt und plötzlich ihren Kopf nach hinten gezogen. Dicht an ihr Ohr war sie gekommen, hatte an ihrem Ohrläppchen geknabbert und geflüstert: »Wir spielen ein Ratespiel, Susanna, unser ganzes Leben lang. Es ist mein Spiel!«
Es war kalt. Lea roch den Wald, erdig und modrig. Sie hatte das Gefühl, aufzuwachen nach einem langen Schlaf. Unterhalb eines Abhangs lag sie, auf einem Haufen alten Laubes. Sie fuhr mit der Hand an den schmerzenden Kopf und fand eine große Beule an der rechten Stirnseite. Die Gesichtshaut war offenbar aufgeplatzt, denn ihre Finger ertasteten eine Kruste. Als sie versuchte, sich aufzusetzen, wurde ihr sofort schwindlig. Die Kleidung klebte an ihr und war an manchen Stellen so durchnässt, als habe sie schon einige Zeit auf dem Boden gelegen.
Ihre Finger waren klamm. Sie schmerzten, als sie sich aufstützen wollte, um sich aufzurichten. Ihr Kopf versuchte mühsam, die Führung zu übernehmen. Sie musste aufstehen, es half nichts. Wenn sie hier liegen blieb, würde sie an Ort und Stelle erfrieren. Lea sah ein
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