Mephistos Erben: Kriminalroman (German Edition)
Richtung, und es kam auf sie zu. Nun machte sich ihre Verletzung, die Unterkühlung und die Erschöpfung bemerkbar. Halb erfroren, ohne Erinnerung im dunklen Wald, und jetzt auch noch irgendein freilaufender Hund. Das war zu viel. Sie spürte, wie zuerst ihre Hände und dann ihr ganzer Körper zu zittern begannen. Sie stolperte hastig zurück zu dem Waldarbeiterunterstand, und überlegte flüchtig, ob sie sich auf dem Dach in Sicherheit bringen könnte. Das war jedoch viel zu hoch, und schon das Gehen war mühsam. Sie würde sich nirgendwo hochziehen können.
Sie trat in den Unterstand ein, tastete seine Wände ab und kauerte sich auf eine der Sitzbänke.
Das Hundegebell kam schnell näher. Menschliche Stimmen waren in einiger Entfernung zu hören, die irgendetwas riefen. Mit einem Mal erkannte sie das Gebell. Grenzenlos erleichtert liefen ihr Tränen über die Wangen. Es war Lilly.
»Lilly!«
Nun rief sie den Namen lauter und merkte, wie heiser krächzend ihre Stimme klang.
»Lilly, hier bin ich, Lilly, hier.«
Es dauerte nur wenige Minuten, und die Hündin kam schwanzwedelnd und bellend auf sie zugesprungen. Lea rutschte von der Holzbank, sank auf die Knie und vergrub ihr Gesicht in dem warmen Fell des Tieres. Lilly machte Anstalten, ihr das Gesicht abzulecken, es war Lea völlig gleichgültig. Nun waren auch die Menschen, deren Stimmen sie gehört hatte, am Unterstand angekommen. Lea sah zuerst Sören, der, mit einer riesigen Taschenlampe in der Hand, entsetzt und erleichtert zugleich auf sie zueilte.
»Lea!« Sören schlang seine Arme um sie und hielt sie fest. »Um Himmels willen, was ist passiert?«
»Sören, ich weiß nicht …«
»Wir haben seit gestern Abend die ganze Umgebung hier abgesucht. Du warst spurlos verschwunden.«
»Sören, meine Handtasche, mein Handy, ich habe sie verloren.«
Lea hielt sich so fest an Sören geklammert, wie es ihre Kraft und die Schmerzen zuließen, und lehnte ihren Kopf an seinen Mantel. Der raue Tweed kratzte, aber sie war unendlich erleichtert. »Wie spät ist es?«
Sören warf einen Blick auf seine Armbanduhr: »Halb drei.«
Nun waren auch die anderen herangekommen. Als Lea aufblickte, erkannte sie Kommissar Bender, Sandra Kurz und einige Polizisten, sogar zwei Hunde waren dabei. Lilly versuchte, die Polizeihunde zum Nachlaufspiel zu animieren, hatte jedoch bei den gut abgerichteten Tieren keinen Erfolg.
»Sören, ich habe keine Ahnung, was passiert ist, ich kann mich an nichts erinnern.«
Sören richtete den Taschenlampenstrahl auf ihr Gesicht und schaute prüfend auf die Beule an ihrer Stirn. Seine Finger strichen über die Ausbuchtung. »So, wie du aussiehst, bist du irgendwo ziemlich übel gestürzt. Wo tut es dir sonst noch weh? Hast du Beschwerden beim Atmen?« Sörens professionelle Haltung gewann in dieser Situation die Oberhand und hatte eine beruhigende Wirkung auf Lea. Sie erhob sich und deutete auf ihren Rücken.
»Hier hinten sticht es, wenn ich tief Luft hole. Es fühlt sich an, als sei ein Lastwagen darübergefahren.«
Sören machte einen Schritt hinter sie, schob den schmutzigen Mantel zur Seite und hob ihren Pullover an. Er richtete den Strahl der Taschenlampe auf ihren Rücken. »Heftig«, murmelte er, als er den dunkellilafarbenen Bluterguss auf Leas Rücken begutachtete. »Zieh erst mal den Mantel aus, der ist ja total nass, und«, er wandte sich an die Polizisten, »hat jemand von Ihnen vielleicht eine Decke dabei?«
Es gab jedoch keine Decke, und so zog Sören seinen Mantel aus und legte ihn Lea über die Schultern. Nun trat Kommissar Bender heran. Die Erleichterung stand auch ihm ins Gesicht geschrieben.
»Da bin ich wirklich froh, dass wir Sie gefunden haben. Wie geht es Ihnen? Was ist bloß passiert?«
Lea wiederholte, dass ihr Gedächtnis eine deutliche Lücke aufweise. Kommissar Bender berührte mit einer leicht hilflos wirkenden Geste ihre Schulter. »Sie können sich wirklich an nichts außer an den Waldspaziergang mit Ihrer Freundin erinnern?«
Lea schüttelte erschöpft und resigniert den Kopf.
Bender klärte sie nun über ihre Suchaktion auf: »Nachdem Ihre Freundin Elisabeth berichtet hatte, dass Sie in dieses Institut hineingegangen sind und nicht wieder auftauchten, bin ich mit Frau Kurz und den Kollegen nach Falkenstein gekommen. Wir waren gegen 20 Uhr vor Ort. Frau Hinke – sagt Ihnen der Name etwas?«
»Nein.«
»… verwies uns an eine andere Mitarbeiterin, die für Informationen zum Institut zuständig
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