Merani und die Schlange unter dem Meer
sein, Qulka!« Merani winkte ab und nahm Kipans Messer entgegen. Auch wenn sie im Höhlenpalast von Gurrdhirdon aufgewachsen war, war ihr bewusst, dass das Ausleihen des Messers unter den Fischern des Archipels als besondere Freundschaftsgeste galt.
Kipan grinste erfreut und blieb neben Merani sitzen, bis diese den Schinken angeschnitten hatte. Da dem Schiff immer noch Gefahr drohte, reichte sie das Messer rasch wieder zurück. »Ich glaube, dein Vater braucht dich!«
»Sei aber diesmal vorsichtiger!«, mahnte seine Mutter ihn.
Dann setzte Anih sich neben Merani und zog ihren Dolch aus der Scheide. »Du erlaubst, dass ich dir das Fleisch vorschneide, meine Liebe? Ich kann dir gar nicht sagen, wie dankbar ich dir bin, dass du meinen Sohn gerettet hast.«
»Ich hoffe, er fällt nicht zu oft hinein. Denn ich habe nicht die Kraft, ihn jedes Mal herauszuholen.« Es waren die letzten Worte, die Merani für eine gewisse Zeit sagte, denn sie schlang den Schinken Scheibe für Scheibe heißhungrig in sich hinein. Da sie jeden Moment wieder gebraucht werden konnte, musste sie die verlorene Kraft so schnell wie möglich ersetzen.
Argeela brachte ihr die letzten Blaubeeren, die sie aus dem Hexenwald mitgenommen hatten, während Careedhal die Matrosen mit seinen eigenen magischen Fähigkeiten unterstützte. Zwar reichten seine Kräfte nicht an die Meranis heran, dafür vermochte er die magischen Felder noch besser zu erkennen als sie und war in der Lage, dem Großadmiral rechtzeitig zu sagen, an welcher Stelle dem Schiff die größte Gefahr drohte.
Kip blickte immer wieder prüfend zu den magischen Wirbeln hin, die ihm am meisten Sorgen bereiteten. Es war zu erkennen, dass sie sich bereits gegenseitig anzogen und es zu zwei gewaltigen magischen Explosionen kommen würde. Wenn die »Seeschäumer II« auch nur in Druckwellen einer dieser Explosionen geriet, war sie verloren.
»Der blau-grünen Kollision könnten wir mit etwas Glück entkommen«, erklärte er Merani. »Doch wie es der Meandhir will, werden wir dann genau in die schwarz-weiße hineinsegeln.«
Merani kämpfte sich auf die Beine und ging noch etwas steif zum Bug. Argeela und Qulka folgten ihr sichtlich verängstigt.
»Was hast du nun vor, Herrin?«, fragte die Zofe besorgt.
Statt einer Antwort schloss Merani die Augen und konzentrierte sich auf den weißmagischen Wirbel. Als ihre tastenden Sinne diesen berührten, verbrannte es ihr schier das Gehirn. Trotzdem drang sie tiefer in die Wolke ein. Es dauerte lange, und sie schrie sich vor Schmerz beinahe die Seele aus dem Leib. Doch endlich entdeckte sie den dichten Kern des weißen Wirbels und presste einen Schwall schwarzer Magie hinein. Im nächsten Moment rollte der Donner einer gewaltigen magischen Explosion über die See.
Haltlos sank Merani auf das Deck und blieb mit verdrehten Augen liegen. Als Qulka sich erschrocken über sie beugte, konnte sie den Puls ihrer Herrin kaum noch spüren. Einen Augenblick lang geriet sie in Panik, dann aber hob sie Meranis Kopf und flößte ihr den Rest des Starkwassers tropfenweise ein. Obwohl Meraninicht bei Bewusstsein war, schluckte sie gierig, und zu Qulkas Erleichterung war ihr Puls bald wieder kräftiger.
»Ich bringe meine Herrin unter Deck. Wahrscheinlich wird sie lange brauchen, um sich von diesem Zauber zu erholen!«
»Wenn sie es je wieder tut! Sie hat mit ihren Kräften eine weißmagische Wolke gesprengt. Das kann ihr das Gehirn ausgebrannt haben!«, jammerte Argeela.
Obwohl sie am ganzen Körper zitterte, folgte sie Qulka, setzte sich in der Kabine neben ihre Freundin und tat alles, um der Kranken mit ihren geringen Heilkräften beizustehen.
15
Die Sprengung der weißen Wolke erwies sich als doppelt hilfreich für die »Seeschäumer II« und ihre Besatzung. Zum einen war die Gefahr gebannt, dass es zu einer schwarz-weißen Explosion kommen würde, und zum anderen veränderte sie den Kurs der blauen und grünen Wirbel so, dass diese erst ein ganzes Stück hinter dem Schiff zusammentrafen und es nicht mehr gefährdeten. Doch jederzeit konnten weitere Magiewirbel entstehen und die »Seeschäumer II« bedrohen. Außerdem nahm der Sturm immer mehr zu und machte es Großadmiral Kip beinahe unmöglich, das Schiff auf Kurs zu halten.
»Wenn wir nicht bald einen sicheren Hafen finden, sind wir geliefert. Wegen mir könnte es auch ein grüner Hafen sein!« Kip lachte bei seinen Worten und warf das Steuer herum, um einer Klippe auszuweichen.
»Wir müssen
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