Merani und die Schlange unter dem Meer
Taue des Fockmastes, sonst saufen wir doch noch ab.«
»Gleich habt ihr es geschafft«, meldete Ellek und begann, einige der Taue, an denen der Mast hing, mit seinen scharfen Zähnen durchzubeißen.
Kurz darauf war das Schiff frei, und obwohl es noch immer Wasser aufnahm, gelang es Kip, es zu der Höhle zu steuern, in der auch Hekendialondilans Boot lag. Die Yacht war zu groß, um tiefer in den dunklen Schlund einfahren zu können. Aber es gelang den Matrosen, den Besanmast niederzulegen und das Schiff mit Tauen an einigen Felsen zu befestigen, so dass die Strömung es nicht ins Freie ziehen konnte. Danach machten sie sich daran, die Lecks zu untersuchen und abzudichten.
Kipan meldete seinem Vater schließlich erleichtert, dass die Schäden mit Bordmittel beseitigt werden könnten. »Wir können sogar einen Hilfsmast anstelle des verlorenen aufstellen!«, setzte er sichtlich erleichtert hinzu. Dann blickte er sich um und fragte. »Wo sind wir hier eigentlich gelandet?«
16
Hekendialondilan hatte ein wenig geschlafen, als sie Elleks Ruf vernahm. »Ich habe Freunde mitgebracht. Darf ich sie zu dir schicken?«
»Ja, gerne«, antwortete das Runimädchen und fragte sich, wer so kühn sein mochte, diese gefährliche Fahrt zu wagen.
Kurz darauf hörte sie Schritte. Zuerst wateten vier Männer durch den Kanal herein, der die Kammer mit dem meerseitigen Höhleneingang verband. Ihrer Tracht nach mussten es ilyndhirische Seeleute sein. Sie schleppten eine Trage, auf der jemand lag. Ihnen folgten zwei sehr junge, magisch begabte Menschen von violetter Grundfarbe, deren Schwingungen Hekendialondilan bekannt vorkamen. Die dritte, ebenfalls sehr junge Person war eine wuchtig gebaute schwarze Gurrländerin. Ebenfalls schwarz war die Farbe des Mädchens auf der Trage, das anscheinend krank war und das Bewusstsein verloren hatte.
Während Hekendialondilan nur freundliches Interesse empfand, hoben Tharon und Tirah erwartungsfroh die Köpfe. Da die Neuankömmlinge ihre eigenen Farben und die der blauen Verbündeten aufwiesen, hofften sie, der Gefangenschaft der weißen Eirun entrinnen zu können. Zu ihrer Verwunderung blieb der violette Junge ein paar Schritte vor der Weißen stehen und verneigte sich tief vor ihr. Dabei leuchtete sein Gesicht, als habe man ihm ein lange ersehntes Geschenk gemacht. »Du bist gewiss Hekendialondilan von Runia. Unsere Eltern, Fürstin Careela von Ardhu und Fürstgemahl Argo, haben uns viel von dir erzählt. Ich selbst bin Careedhal, und das ist meine Zwillingsschwester Argeela.«
»Es wäre höflicher gewesen, wenn du mich als Erste genannt hättest. Immerhin bin ich die Erbprinzessin«, wies Argeela ihn zurecht, um anschließend in einen tiefen Knicks zu versinken.
»Ich grüße dich, Hekendialondilan von Runia, und freue mich sehr, deine Bekanntschaft zu machen.«
»Ich freue mich auch, die Kinder alter Freunde kennenzulernen«, antwortete das Runimädchen und wies auf die Trage. »Wer ist das? Sie fühlt sich ebenfalls vertraut an, aber ich kenne sie noch nicht.«
»Das ist Merani, Prinzessin von Gurrland und Tochter des Magierkaiserpaares Mera und Girdhan.«
Bei diesen Worten spitzte Tharon die Ohren. Er spürte an der Bewusstlosen eine Ausstrahlung, die nur von einem starken Artefakt wie dem Feuerthron stammen konnte. Auch die Erwähnung eines Magierkaiserpaares wies darauf hin. Die Namen Mera und Girdhan sagten ihm nichts. Daher war er sicher, dass es sich nicht um Mitglieder der Expedition handeln konnte, die Wassuram vor tausend Jahren unternommen hatte.
»Darf ich auch uns vorstellen?«, krächzte er. »Mein Name ist Tharon, Magier des Schwarzen Landes, und das ist Tirah von Mar!«
Careedhal sah sie kurz an und wandte sich dann an Hekendialondilan. »Wer sind denn die beiden?«
»Sie sind, wie sie sagen, meine Gefangenen!« Das Runimädchen gluckste vor Vergnügen, als sie die fassungslosen Gesichter ihrer neuen Gäste sah.
»Gefangene? Aber wieso?«, rief Careedhal und betrachtete Tharon und Tirah genauer. Der Schwarzmagier, sagten ihm seine speziellen Sinne, musste über ungewöhnlich starke Kräfte verfügen, doch im Augenblick war er verletzt und so erschöpft, dass er keine Gefahr darstellte. Das Mädchen neben dem Schwarzen konnte höchstens zwei Jahre älter sein als er selbst, aber sie stammte trotz ihrer violetten Götterfarbe nicht von den ardhunischen Inseln.
Neugierig sprach er sie an. »Linirias zum Gruß! Woher kommst du? Ich habe gar nicht gewusst, dass es
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