Merani und die Schlange unter dem Meer
die Gegenfarben zusammenkommen?«, fragte Merani verwundert.
»Wenn Seelen mit großer magischer Kraft zusammenstoßen, geschieht dies manchmal. Nur strahlen die meisten Seelen viel zu schwach, und daher quälen sie einander nur. Das ist genau so, als wärest du an Hekendialondilan gebunden. Es gäbe zwar keine Explosion, aber ihr würdet euch in Schmerzen winden. Zudem ist dies hier ein stark magischer Ort, an dem die Seelen mit allen existierenden Farben überschüttet werden. Das steigert ihre Qualen ins Unendliche. Im Augenblick ist diese Geisterballung unser schlimmster Feind, und ich weiß nicht, was wir gegen dieses Ding ausrichten könnten.«
Merani ärgerte sich über Tharons Mutlosigkeit. »Wir werden es schaffen! Du sagst doch selbst, dass dein Land sonst ebenfalls untergeht. Also reiß dich zusammen, großer Magier!«
»Ihr müsst es schaffen! Noch gelingt es mir, mit Hilfe meiner darin gefangenen Verwandten den Schwarm der Seelen zu beeinflussen. Doch wenn ich tot bin, werde ich selbst mit ihm verschmelzen, und dann gibt es nichts, was ihrem Wüten noch Einhalt gebieten kann.« Tenaril weinte bei dieser Vorstellung Geistertränen und flehte Merani an, sie zu retten.
Da fiel Merani der Feuerthron ein. Vielleicht konnte Tharon ihn wieder in Gang setzen und zusammen mit ihr Tenaril aus der Tiefe holen. »Wenn du auf die Geisterballung einwirken kannst, vermagst du sie dazu zu bringen, das Schiff meiner Mutter in Ruhe zu lassen? Es ist sehr wichtig, dass es hierherkommt.«
Tenaril seufzte. »Das habe ich schon getan. Das war nicht einfach, denn wie der Schwarzmagier schon gesagt hat, ist die Geisterballung wahnsinnig vor Schmerz und Angst. Wenn das Gelb, dassich uns nähert, auf das Violett trifft, werden die Seelen in der ungeheuerlichen Explosion zerstört.«
Merani schauderte. »Das ist ein Schicksal, das wir wohl mit den Toten teilen werden. Ich frage mich, ob es überhaupt noch einen Ausweg gibt.«
»Genug des Geredes! Ich möchte mir jetzt das andere Mädchen ansehen«, erklärte Tharon und zupfte an Meranis Geist.
Diese bedauerte es, die Grüne verlassen zu müssen, aber sie begriff, dass der Magier recht hatte. Sie mussten alles untersuchen, um herauszufinden, wie sich das Unheil doch noch abwenden ließ. Gemeinsam mit ihm drang sie in den riesigen Höhlenschlund ein. Der Boden der Grotte war mit Schlamm und Sand gefüllt. Fische schwammen darin herum, ohne sich um die beiden geisterhaften Besucher zu kümmern. Nur ein einzelner großer Fisch kam näher.
Es war Ellek, der sichtlich Mühe hatte, sich in dieser Tiefe aufzuhalten. Dennoch hoffte Merani, er könne ihnen helfen.
»Schaffst du es, die grüne Runi mit deiner Nase in ein Netz zu legen und sie nach oben zu bringen?«
Zu ihrem Bedauern verneinte Ellek. »Das geht leider nicht. Eigentlich darf ich gar nicht so tief tauchen, aber ich wollte sehen, was hier los ist. Ich muss gleich wieder hinauf!« Er wartete keine Antwort mehr ab, sondern schoss davon.
»Schade«, sagte Merani, der klar war, dass der Treiberfisch bereits sein Äußerstes riskiert hatte.
»Dann müssen wir uns etwas anderes einfallen lassen«, sagte sie und schwebte auf die Violette zu. Diese sah wirklich so aus, als sei sie Tenarils Zwillingsschwester. Tharon untersuchte die kristalline Gestalt und interessierte sich besonders für ihre Füße. Diese steckten noch in jener langen, zungenartigen Felsnadel, die waagerecht in die Höhle hineinragte und etliche Hundert Schritte lang sein musste.
»Lange bevor das Gelb auf das Violett treffen wird, dürfte sie sich in ein Wesen aus Fleisch und Blut verwandeln, wahrscheinlichgleichzeitig mit der jungen Eirun, die sie irgendwie beeinflusst. Wenn wir dieses Mädchen nicht vorher retten können, wird es hier ein gewaltiges Erdbeben geben, dessen Sturmfluten die gesamte Küste des Violetten Landes verheeren werden. Dieses Ereignis dürfte die Verhandlungen um einen Waffenstillstand zunichtemachen, denn es gibt auch auf der anderen Seite solche Narren wie unsere Schwertmagier, die vom endgültigen Sieg über die Gegenseite träumen.«
Tharon sah seine schlimmsten Befürchtungen noch weit übertroffen und verfluchte Gynrarr und Ewalluk, die sich aus blindem Ehrgeiz gegen ihn gewandt hatten. Während diese jetzt mit »Giringars Hammer« die Inselwelt bedrohten, entwickelte sich von ihnen unbeachtet eine gewaltige Katastrophe, die auch das Stahlschiff nicht überstehen würde.
»Wir müssen es schaffen, denn ich habe keine
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