Merani und die Schlange unter dem Meer
Querströmungen zu stemmen, die die Lagune in einen Kessel voller Gischt und Wasserwirbel verwandelten. Doch sein Gefühl für magische Strömungen und Meras Erinnerung an den Höhleneingang halfen ihm, den richtigen Weg zu finden.
Als sie endlich die Grotte erreichten, fegten bereits die ersten Ausläufer des gelben Sturms über sie hinweg, und sie waren froh, das Höhlendach über sich zu sehen. Nach wenigen Schritten stießen sie auf ein etwas kleineres Schiff. Es stammte von Ilyndhir und lag mit umgelegten Masten am felsigen Ufer vertäut.
Argo zwängte sich an dem Rumpf vorbei und hörte jemanden gellend schreien. Ein blauer Matrose, der als Wache auf der »Seeschäumer II« zurückgeblieben war, rannte wie von Sinnen davon und verschwand im hinteren Teil der Höhle, in der Argo weißen Kristall witterte. »Wie es aussieht, liegt da drinnen ein kleines Runischiff, und wenn ich mich nicht täusche, könnte es das von Hekendialondilan sein.«
Mera seufzte. »Hekendialondilan? Wie gerne würde ich sie wiedersehen!«
Da die Höhle für den Arghan unpassierbar wurde, stieg Mera, von zwei Besatzungsmitgliedern gestützt, als Erste herab. Auch die anderen rutschten vom Rücken des verwandelten Prinzgemahls und zogen das Boot mit den Verletzten und dem Rest der Mannschaft ein Stück weiter, bis es auf einem schmalen Ufersaum aus Sand zu liegen kam. Gerade als sie die Leute aus dem Boot holen und versorgen wollten, vernahmen sie erregte Stimmen.
10
Merani und die meisten anderen schliefen gerade, als der Matrose schreiend in die Höhle stürzte. »Ein Ungeheuer!«, rief er. »Es wird uns alle fressen!«
»Was ist los?«, fragte Merani, die auf einen Schlag hellwach geworden war. Gleichzeitig griff sie nach den Gedanken des Mannes, um sich ein Bild von dem angeblichen Ungeheuer zu machen.
Zuerst holte sie verblüfft Luft, dann aber begann sie schallend zu lachen. »Bei Giringar, das ist doch nur Argo. Anscheinend hat er uns gesucht. In dieser Gestalt können ihm die magischen Stürme nicht viel anhaben.«
»In dieser Gestalt?« Regandhor zuckte hoch und packte das Mädchen am Arm. »Was weißt du darüber?«
Merani blickte ihn erstaunt an. »Was heißt hier wissen? Fürst Argo kann zwei Gestalten annehmen, die eines Menschen und die eines Arghan, eines sehr mächtigen Wesens. Kommt, begrüßen wir ihn!«
Ohne auf die anderen zu warten, rannte Merani los. Argeela und Careedhal sausten sofort hinter ihr her. »Glaubst du wirklich, es ist Papa?«, rief das Mädchen.
Merani lachte hell auf. »Wie viele Arghan gibt es im Archipel? Ich kenne nur einen!« Sie lief an Hekendialondilans Boot vorbei und betrat die äußere Höhle. Dort nahmen ihre magischen Sinne Argo sofort wahr.
»Onkel Argo! Wie kommst du denn hierher?«, rief sie und fiel dem Arghan um den langen Hals.
»Papa! Papa! Wie schön, dass du da bist!« Argeela drängte ihre Freundin beiseite, um ihren Vater ebenfalls zu umarmen.
»Gemach, junge Dame! Es ist genug Hals für euch alle da«,antwortete Argo lachend und drehte den Kopf, um die Kinder anzusehen.
»Was habt ihr denn hier zu suchen? Ich glaubte euch im Hexenwald von Ilyndhir.«
»Das, Onkel Argo, ist eine längere Geschichte …«, antwortete Merani.
»… die ich gerne hören würde!«, hörte sie da plötzlich ihre Mutter sagen.
»Mama?« Jetzt gab es für Merani kein Halten mehr. Sie stürzte auf ihre Mutter zu und klammerte sich an ihr fest.
»Es war der Kristall, nicht wahr? Du hast ihn mitgenommen und dann ausprobiert. Eigentlich sollte ich dich übers Knie legen und dir den Hintern so versohlen, dass du nur noch mit Hilfe von Levitation sitzen kannst.« Trotz ihrer bissigen Worte hörte die Magierkaiserin sich so erleichtert an, als seien ihr ganze Felsbrocken vom Herzen gefallen. Sie zog ihre Tochter kurz am Ohr und wandte sich dann Argeela und Careedhal zu.
»Euch sollte euer Vater auch beibringen, dass man seine Eltern nicht belügen darf. Wenigstens du, Careedhal, hättest genug Verstand aufbringen sollen, Merani aufzuhalten. Aber …« Mera brach ab und machte eine wegwerfende Handbewegung. Dann erforderte eine andere Person ihre Aufmerksamkeit.
Hekendialondilan starrte die Frau an, die einmal ihre beste Freundin gewesen war, und wunderte sich erneut, wie rasch die Abkömmlinge des Menschengeschlechts wuchsen. Für ihr Volk sah Mera zwar noch jung aus und würde es noch etliche Dutzend Jahre, wenn nicht sogar ein paar Jahrhunderte lang bleiben. Doch wie das Mädchen,
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